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Donnerstag, 12.7.2010

Tag 34 - Auftanken der Nervenzellen

Rif. Zoia → Alpe Musella → Alpe Campolungo → Malga Rundai → Il Barchetto → Chiareggio (San Anna)
Die Huette (besser gesagt das Hotel), zu der ich nie wieder zurueck will!
Diese Nacht stuermte es zusammen mit Donner und Blitz. In der Nacht schloss ich deshalb das Fenster um etwas mehr Ruhe zu haben, aber das viele kleine Haemmern der Tropfen auf dem Dach direkt ueber mir verursachte den Hauptlaerm. Alle anderen der 3 Mitbewohner schienen damit aber kein Problem zu haben. Der Vater schnarchte ab und zu ein bisschen und eine Tochter redete irgendein unverstaendliches Zeug im Schlaf :-). Als der Regen aufhoerte, riss ich das Fenster wieder auf, da es im Zimmer schon wieder hohe Temperaturen erreicht hat. Kurz danach schlief ich endlich ein.

Zu meinem Erfreuen musste ich dort nicht hoch
Der Wecker bimmelte um 7:15 Uhr, da die anderen 3 nicht zu frueh raus wollten. Die Sachen waren schnell gepackt, die Zaehne schnell geputzt und schon ging es runter zum Fruehstueck. Was mich dort erwartete, grenzte kurz vor einer bodenlosen Frechheit. Zuerst wurde mir bei der Bestellung einer heissen Schokolade ein heisser, zaehfluessiger Schokoladensirup serviert. Damit konnte ich noch gut leben. Vermutlich war die Bedienung noch nicht lange im Geschaeft. Das Problem loeste ich mit der Bestellung von Milch, die ich mit dem Sirup vermischte und auch fuer die Cornflakes verwendete. Was mich richtig stutzig machte, war das Fehlen von Brot. Die Bedienung meinte, dass das alle sei. Aber wieso haben dann die Italiener am anderen Tisch Brot?!? Wurst hatten diese auch. Fuer mich soll es nur Marmelade und abgepackten Zwieback geben?!? Allmaehlich reicht es mir mit den italienischen Huetten. Aber eine Huette ist das hier ja auch nicht wegen der Autobahnanbindung 10 Meter weiter unten. So ass ich noch eine weitere Schuessel Cornflakes und zahlte. Ein 0,66 Liter Bier kostet hier 5 €! Aber das kenne ich schon von italienischen Huetten. Dafuer ist das Mineralwasser sehr billig. Nach der Verabschiedung von den 3 Deutschen haute ich dann ab. Mit diesem Zeitpunkt aenderte sich alles zum Positiven.

Die ganzen Ziegen
Erst einmal ging ich ein paar Meter runter, um den Staudamm zu ueberqueren. Zur Alpe Musella zeigte der Wegweiser dann nach links die Strasse herunter, statt wie in meiner Karte markiert nach oben. Egal. Ich gehe den oberen Weg. 2 weitere Wanderer schepperten vor mir den Weg hoch. Nach einiger Zeit fragte ich vorsichtshalber nach, ob dieser Weg auch zur Alpe Musella fuehren wuerde. Auf Englisch (Ja, jeder kann Englisch bis auf die Huettenleute!) bestaetigte mir das einer. Die beiden Herren ueberholte ich kurz nach einem weiteren Gespraech noch schnell und spurtete nach dem anfaenglichen 250 HM Anstieg jetzt auf fast ebenem Wegverlauf weiter. Die Alpe Musella konnte ich schon laengere Zeit links unter mir sehen, nur der Weg schien nicht abzuzweigen. Dann endlich kam ein Wegschild und ging ca. 20 HM unter dem Weg von dem ich gekommen bin wieder zurueck. Ja Fix! Koennen die nicht vorher einen Wegweiser hinstellen? So haette ich mir mit dem Queren einer buckeligen Wiese gut 10 Minuten gespart! Das Rifugio Carate war auch in einem kleinen Joch sichtbar, dass 400 HM ueber mir in einer steinigen Natur stand. Das ist doch eine Huette - nicht wie Rifugio Zoia! Die Alpe Muselle erreichte ich relativ schnell, genauso wie das 5 Minuten entfernte Rifugio Mitta. Dort nutzte ich die Gelegenheit und kaufte mir ein kleines Wasser. Den Preis verstand ich nicht, weshalb ich ihr einfach einen 20 € Schein gab. Mit dem Rueckgeld kostete das Wasser dann nur 50 Cent, die ich auf 1 € aufstockte. Ja. Wasser ist hier wirklich billig. Seit ich mehr Mineralwasser trinke, meine ich weniger Probleme mit meiner Wade zu haben. Vllt. liegt es an erhoehten Mineralstoffen im Vergleich zu den Bieraminen im Bier!!! Nach dem schnellen Wegschlucken des Wassers ging es kurz steil bergab bis ich auf ein schoenes freies Gelaende stapfte. Zu meinem Erfreuen war seit Beginn der Etappe mit Ausnahme der fruehstueckenden Italiener kein Grattler zu sehen. Ich genoss die Ruhe und die Grattlerfreien Wege. Genau das brauchte ich nach den vielen Griffen in's Klo [Da klebt eine tote Fliege im Tagebuch]. Da konnte das super Cordon Bleu auch nichts mehr aufholen. Mir fehlen wirklich die Worte, wie entspannend das war. Ein huebscher grosser Fluss schlaengelte sich auch durch die Wiese, von dem ich ein paar Ausleger ueber kleine Stege ueberquerte und den Fluss anschliessend ueber eine grosse Bruecke. Wieder im Wald bzw. dem, was man auf 2000 HM als Wald bezeichnen darf, ging der Weg wieder hoeher.

Das "Aufbauessen"
Dann hoerte ich viel Gebloecke. Sehr viel. Und das schien auch schnell naeher zu kommen! Uebrigens hat ein Hund bei der Schiazzerahuette 3x vor die Tuer gekotzt. Der schien wohl den "Aufstieg" nicht verkraftet zu haben. Das Gebloecke nahm so schnell zu, dass ich schon Angst hatte, gleich von einer Horde Schafe oder Boecke ueberrannt zu werden. Zu meiner Erleichterung waren es dann doch nur ein paar Ziegen, Boecke oder was auch immer das war. Diese wurden von 2 Frauen vorangetrieben. Ich fuehlte mich 50 Jahre zurueckversetzt. Seit dem Damm sah ich naemlich keine STrasse mehr. Nur kleine altmodische Haeuser, huebsche Wanderwege, viel Natur und nur eine Sache, die mich verwundern liess: Neue Wegmarkierungen! Bin ich schon wieder in der Schweiz?!? Nein, hier her scheint sich vllt. ein schweizer Wegewart verlaufen zu haben! Die Frage der Fragen ist nur: Was bringen frische Wegmarkierungen, wenn der Weg an sich gut sichtbar ist? Der weitere Weg war nicht mehr so erfreulich. Ich kam genau auf dem Brunshuegel heraus, den ich schon gestern zum Kotzen fand. Oben eine Liftstation, allerdings ohne Betrieb und in dem Hang eine Schneise fuer eine Abfahrt. Sieht jetzt pott haesslich aus, aber wenn ich im Winter hier waere, wuerde ich mich sicherlich darueber freuen. Da treffen 2 Welten aufeinander, die sich nicht vereinen lassen: Naturfreundliches Wandern und Skifahren mit Liften. Auch ich geniese es ab und zu mit dem Lift und 2 Brettern unter den Fuessen hochgegondelt zu werden :-). Ueber einen Fahrtweg lief ich erst einmal die Piste hoch, bis es wieder in ein kleines Waldstueck ging in dem ich fuer 30 Meter kurz den Weg verloren hatte. Stichwort zugewuchert trifft es wieder mal perfekt. Bald kam ich wieder auf der Piste heraus und lief weiter hoch. Gemaess des schriftlichen Via Alpina Guides aber ueber den "Passo Campolungo", abweichend von dem GPS Datensatz der Via Alpina Seite (Immer vorausgesetzt, dass ich den Weg richtig markiert hab! [In der Karte]).

Der Weg zwischen den Steinmauern
Von dem Pass aus nahm ich zum X-ten Mal Abschied von der Richtung, aus der ich gekommen war. Von hier oben konnte ich den Stausee (haesslich!!!) den Grattlerschuppen Zoia und auch die Scharte sehen, ueber die ich hier reingekommen war. Jedenfalls die, die ich dafuer hielt. Vom Pass ging es - wieder mal ueber einen sichtbaren Fahrtweg - etwas runter. Hunger hatte ich schon seit geraumer Zeit und in 100 Meter Entfernung schien ich Baenke und Sonnenschirme zu sehen. Da gibt es sicher etwas! So war es auch. Dort wurde ich auch herzlich willkommen geheisen. Ein freundliches Laecheln und schon hatte ich Mineralwasser, Cola und ein Gulasch bestellt. Sozusagen mein Fruehstueck. Nach einiger Zeit wurde mir das Gulasch auch geliefert mit 2 verschiedenen Fleischsorten je separat. Die Wirtin beschrieb das erste mit ihren nach oben zeigenden Zeigefingern an der Stirn, fuer das zweite wusste sie nichts. Ich machte dann ein Schwein nach, woraufhin sie muhte :-). Dazu gab es Kartoffeln. Wieder tankte ich meine Nervenzellen durch das Verspeisen dieses koestlichen Mahls auf und der Freundlichkeit, die mir entgegengebracht wurde. 9 € hat das Gulasch gekostet. Ich hab nur keine Ahnung, wie ich das in der Schweiz mal spontan machen soll, da dort ja alles so teuer ist. Ganz aufessen konnte ich diese ordentliche Fleischladung aber nicht. So vollgestopft musste ich jetzt weiter, was mir nicht gerade leicht fiel. Den Weg rechts entlang des kleinen "Lago Palu" suchte ich vergeblich, weshalb ich dann doch einfach links entlang vorbei lief. Dort tummelten sich auch wieder ein paar Grattler, aber nicht viele, weshalb mich das nicht sonderlich stoerte. Immerhin schienen die ein gutes Stueck hochgelaufen zu sein. Beim gemaechlichen Abstieg nach Il Barchetto begegnete ich noch einem aelteren Ehepaar, wobei der Mann sicher schon 70 war. Beide quaelten sich regelrecht hier hoch. Ich hoffe, dass ich in diesem Alter auch noch die Laune habe, das zu machen. Respekt fuer die Beiden! Der Beschilderung nach Ciareggio folgte ich von nun an eigentlich die ganze Zeit. In schnellem Tempo kam ich voran, wobei ich wegen dem Unwetter diese Nacht desoefteren auf Wurzeln ausrutschte.

Die Kirche San Anna mit der Bar San Anna dahinter
Ich habe mittlerweile das Gefuehl, dass ich herumspringen kann wie ich will. Ob ich ausrutsche oder umknicke: Mein Koerper reagiert voll automatisch. Der Weg fuehrte mich weiter und weiter ins Tal von Ciareggio hinein, von dem ich aus Morgen ueber ein Joch o. ae. ins naechste Tal komme. Besonders schoen war die Wegstrecke, bei der der Wanderweg entlang von Wiesen an beiden Seiten von aufgeschichteten Steinmauern berandet war. Weiter im Wald und noch ein bisschen Auf und Ab kam ich letztendlich ueber eine Forststrasse auf eine geteerte Fahrtstrasse und darueber nach Ciareggio. Mir faellt gerade ein, dass ich keine Murmeltiere gehoert habe! Vllt. ist hier am Wochenende einfach zuviel los. Von dem Vater mit den 2 Toechtern im Rif. Zoia bekam ich den Tipp, dass eine Uebernachtung in San Anna nur 15 € kostet und es im Dorf auch gute Pizzen gibt. Perfekt! Auf das Glueckspiel mit der Halbpension hatte ich sowieso keine Lust mehr. Als Schlafgelegenheit bekam ich ein schlichtes Zimmer mit 2 Betten. Dusche war draussen. Perfekt fuer diesen Preis.

Die Raupe
Zum Essen wurde mir die Pizzeria "Ai Portoni" empfohlen, bei der es ab 19 Uhr etwas zu Essen gab. Dazu noch 3/4 Liter Wein und der Abend war inkl. Abendgewitter perfekt. Das interessante an Italien ist, dass jede Pizza anders, aber so gut wie alle hervorragend schmecken. Zum Zeitvertreib spielte ich auch an einem gruenen blaetterfressenden und scheissenden Wurm. So langsam er sich beim Fressen bewegt, um so schneller greift er an, wenn man ihn mit dem Kulli etwas anmalt. Interessanterweise futterte er bei einem angefressenen Blatt erst dann trotz vieler Umrundungen weiter, als ich ihn ueber eine Bluete wieder auf das selbe Blatt umleitete. Das Viech scheint auch nichts zu sehen. Jetzt versteckt es sich hinter einer abgefallenen Bluete, die auf dem Tisch liegt. Die Pizza war uebrigens etwas klein fuer meinen Magen, dafuer aber wie schon erwaehnt, hervorragend!

Um mich weiter zu motivieren, die Via Alpina weiter zu gehen habe ich mir statt der 1/4 geschafften Strecken auch die 1/3 geschafften Strecken einfallen lassen. In 5 Tagen waere das naemlich schon der Fall! [Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass die Wanderung gar nicht mehr so lange dauern wird]