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Donnerstag, 11.8.2010

Tag 64 - Scheiss Karten, scheiss Beschilderung

Col du St. Bernard → St. Leonard → Colle Citrin → Jovencan → Verdun → Charbonniere → Cerellaz
Der See am Pass am fruehen Morgen
Das war mal wieder ein Tag, der super anfing und beschissen aufhoerte. Schon gegen 10 Uhr ging ich in die Falle und stopfte mir gleich die Stoepsel rein. Kurz nach 6 Uhr wachte ich schon auf und beschloss gleich aufzustehen. Bevor ich mich noch 10 mal umdrehte und die Zeit totschlage, kann ich gleich fertig packen und Fruehstuecken. Fuer mich wurde ja schon alles hergerichtet. Der etwas seltsame Italiener fing dann auf einmal an, im Zimmer ziemlich laut zu reden, bis ich ihn darauf hinwies, dass hier noch jemand schlafen will und deutete auf einen, der wohl spaeter noch dazu gekommen ist. Das Fruehstueck war fein. Gutes Brot, Marmelade, heisses Wasser, Schokopulver und etwas, dass ich auf den ersten Blick fuer Frischkaese hielt. Es war dann aber Milchpulver. Auch nicht schlecht. Schokopulver mit heissem Wasser schmeckte zwar, aber mit Milchpulver doch gleich viel besser. Ordentlich vollgestopft packelte ich noch den Rest zusammen und startete los, nachdem ich leider keinen zum Verabschieden fand.

Diese Suppe verzog sich zu meinem Erfreuen.
Kurz vor 7 Uhr war's und die Sonne versteckte sich wieder mal hinter den Bergen, erleuchtete aber schon die, zu denen ich jetzt runter und dann raufgehen werde. Schon beim Aufstehen tat mir die uebliche Sehne am rechten Fuss weh, was normalerweise erst nach langem Abstieg der Fall ist und jetzt hatte ich gleich einen Abstieg, was das Ganze nicht besser macht. Aber was soll's. Die wird sich schon wieder beruhigen dachte ich - spaetestens beim Aufstieg. Erst mal lief ich wieder rechts auf einer Strasse den See entlang und blieb noch etwas weiter auf der Strasse. Dabei wunderte ich mich, wann denn endlich der Weg abzweigen wuerde. Laut Kompass Karte sollte eine Strasse abknicken, von der weit und breit nichts zu sehen war.

In weiter Ferne war der Aufstieg zum naechsten Pass zu sehen.
Ein Wegschild schickte mich dann auf einen Wanderweg, der die ersten 20 Meter vllt. eine Steinpflasterstrasse war, danach aber nur noch ein Trampelpfad. Gratulation ihr Kompass-Heinies fuer so einen Schrott. Kaum 10 Minuten unterwegs und schon taugt die Karte nix. Der Beschilderung folgend lief ich einfach weiter. Unten im Tal hatte sich doch tatsaechlich eine Wolke festgesetzt, die sicher die naechste Stunde verschwinden wird, wenn die Sonne am Zug ist. Dann sah ich auch endlich ein kleines Murmeltier. Total putzig und lieb. Hoffentlich wird das von keinem Auto erwischt, da der Bau direkt neben der Strasse lag. Mit schnellem Tempo schritt ich runter, vorbei an anderen Haeusern und bald entlang eines ziemlich gut ausgebauten Wanderweges, von dem ich zur Strasse abstieg, als ich keine Markierungen mehr sehen konnte und auf der Strasse war ich sicher auf der richtigen Route unterwegs.

Die letzte verfallene Alm vor dem Pass.
Zum Parkplatz neben der Strasse die 20 Meter abgestiegen, schmiss ich noch schnell meine Sachen auf eine Sitzgelegenheit und benuzte mal wieder mein Klopapier unter einer Bruecke, wo ich allen Anschein nach bisher nicht der Einzige war. Wieder topfit ging ich auf der Strasse weiter bis zum naechsten Wegweiser, der nach rechts zweigte, aber nicht, ob es auf dem Weg auf der anderen Seite des Flusses oder auf dieser Seite weitergehen wuerde. Ein Blick in die Karte zeigte mir, dass es auf der rechten Seite weiter geht, doch nach 100 Metern ging nix mehr weiter. Ja zefix! Vllt. haette ich vorhin die Karte statt dem Klopapier verwenden sollen.

So gut abgetapet ging's weiter.
Links entlang des Flusses gelangte ich dann nach St. Rhemy, das auch viel groesser war, als in der Karte gezeichnet. Das Dorf war allerdings auch recht huebsch, hatte sogar eine kleine Bar. Ein Schotterweg fuehrte mich weiter nach St. Leonard, wo ich mir schon den Berg anschauen konnte, den ich heute noch hoch musste. Zumindest der erste Teil war unter Baeumen, den Rest konnte ich nicht sehen. Laut Karte war das aber baumfrei. Bei St. Leonard liess ich auch die Einkehrmoeglichkeit links liegen und ging mit meiner schmerzenden Sehne noch weiter ein wenig auf einer Strasse bergab, bis endlich der tiefste Punkt vor dem Aufstieg erreicht war.

Einfach den Strommasten nach.
Im Wald sah ich dann schon rot-weisse Markierungen, die aber querfeldein gingen und keinen Sinn ergaben. Seit dem Pass waren bisher die Markierungen gelb mit schwarzer Schrift. Tatsaechlich fand ich ein paar Meter weiter, nicht den [die] rot-weiss Markierungen folgend, einen Wegweiser und es ging zum Aufstieg ueber. Erst ueber einen Wanderweg, dann ueber eine Forststrasse, die bald endete an einem Punkt, an dem 2 Wanderwege weiterfuehrten. Ein Blick in die Karte brachte da auch keine Erkenntnis, da diese Abzweigung gleich komplett fehlte. Ja zefix! Noch 2 Etappen, dann muss ich diese Dreckskarten bis auf eine bei Monaco nicht mehr benutzen. Gefuehlsmaessig bin ich rechts entlang, dem 8d folgend. Die Karte konnte ich zur Orientierung komplett vergessen. Ob ich richtig bin, werde ich wohl erst ein paar hundert HM spaeter herausfinden.

Oben am Pass.
Recht steil ging der Weg hoch. Das war wohl auch das Problem beim Bernadino Pass: Er zog sich ewig lange und gemaechlich hoch, sodass man ewig unterwegs war. Aber auf diesem Weg kam man schnell hoeher und der viele Wald schuetzte mich auch einigermassen vor der Sonne. Dann kam ich endlich aus der Baumgrenze heraus und erreichte schon bald die ersten 2 Steinhaeuser die leider kurz vor dem Verfall sind. Wenn ich mir die Kompasskarten so anschaue, koennte man meinen, dass ein Kleinkind mit Buntstiften darueber gekritzelt hat. Ab jetzt verlief der Weg nur noch sehr leicht ansteigend, dafuer aber der Sonne ausgesetzt, aber am Himmel tummelten sich immer mehr Wolken.

Ewig lang zog sich das erste "Tal" hin.
300 HM spaeter, die wie im Flug vorbei waren, stand ich bei dem naechsten Steinhaus, das auch wieder kurz vor dem Verfall war. Da es nur noch 150 HM bis zum Pass waren, beschloss ich hier zu pausieren. Ich legte meinen Rucksack ab, setzte mich, packelte meine Fuesse aus die heute zusaetzlich in die Fussteile von Strumpfhosen gepackt waren und holte den halben Liter Mineralwasser raus, den ich schon wieder seit Tagen mitschleppte. Jetzt ging's dem an den Kragen. Zum Essen wollte ich aber weder die Wurst, noch das Knaeckebrot anpacken, da es meine Notfallration darstellte. So musste halt wieder die Schocki daran glauben, von der jetzt nix (oder fast nix?!?) mehr uebrig ist.

Wirklich ewig lang!!!
Der Himmel sah noch so gut aus, dass die naechste Stunde sicher nichts passieren wuerde, was auch nur einem Gewitter aehnlich sein koennte. So entspannte ich mich ein paar Minuten, genoss die Sonne, die gerade wieder durch die Wolken blinzelte und natuerlich jeden Bissen der Schocki, von der ich hoffentlich bald wieder Nachschub besorgen kann. Die restlichen Meter waren auch im Nu geschafft und schon war ich auf dem Pass, der sogar etwas hoeher als der Bernadino Pass lag, aber um Welten leichter zu bewaeltigen war. Die Aussicht war wieder mal herrlich. Schneebedeckte Berge und auch das Tal, in das ich jetzt absteigen muss. Ja... absteigen... Meine Sehne freute sich schon ungemein darauf!

Die furz trockene Landschaft
Die ersten Meter waren eine wahrhafte Folter. Staendig versuchte ich, mit dem Ballen auf irgendetwas hoehergelegenes zu treten, um die Sehne nicht so oft dehnen zu muessen, was aber nur bei den wenigsten Schritten gelang. Aber runter musste ich ja so und so und unten konnte ich schon eine Schotterstrasse sehen, die eben das hochgelegene Tal entlang ging. Einen kleinen Verhatscher und 400 HM tiefer war das Schlimmste ueberstanden. Ich war auf der Schotterstrasse und es ging ganz langsam und fast unmerklich bergab. Nur 1x ganz am Anfang kuerzte ich noch ueber ein kleines Wiesenstueck ab weil's mir einfach langweilig war :-).

Ueber die Strasse waere ich direkt zum Zielort gekommen - so aber wurde es wieder zum riessen Umweg :-(
Unendlich lange streckte sich der Hatsch jetzt hin. Wo ich genau war, wusste ich dank der beschissenen Kompass Karte so gut wie nie. Es fehlten viele kleine Wege und sogar Abzweigungen waren falsch eingezeichnet. Ich achtete darauf, nicht zu frueh die rechte Weggabelung zu nehmen, um nach Vens zu kommen. Die erste Abzweigung erriet ich richtig, in dem ich links ging. Ein Wegweiser zeigte mir dann die naechste Abzweigung und der dritte Wegweiser war umgefallen, wobei alle Schilder in eine Richtung zeigten und bei dem abzweigenden Trampelpfad zu dem ich mich entschied hatte auch die gelben Pfeile, die hier die Wege markierten. Doch wo ich dann rauskam, stimmte mich dann doch sauer: Ein Bauernhof, bei dem sogleich 2 klaeffende Hunde auf mich zustuermten. Ja super! Diese scheiss Dreckstoelen! Langsam trat ich den Rueckzug hangabwaerts an, meine Stecken als eine Art Wadelnschutz verwendend. Etwas erleichtert war ich dann schon, als endlich der Besitzer kam, um diese Scheiss Viecher zurueck zu rufen. Wieso sind die ueberhaupt nicht angeleint? Als ich das Herrchen nach "Vens" fragte, deutete er an, dass ich runter ueber den Fluss muesse, was ich auch tat.

Suonen!!!
Der Weg fuehrte dann wieder zur Schotterstrasse und zwar genau der Schotterstrasse, auf der ich bei der ersten Abzweigung gekommen waere, wenn ich diese falsch genommen haette. Ja zefix. Was fuer eine Scheisse. In der Karte stand natuerlich nichts von den Wanderwegen, auf die ich hier ruebergekommen war. Aber es sollte noch "besser" kommen. Ein paar Kehren gingen bis nach Vedun herab. Das Landschaftsbild hatte sich jetzt auch geaendert. Alles war sehr trocken. Alles war duerr, obwohl hier doch ein Bach floss. Die Haenge waren auch alle mit Steinen befestigt, um mehr Anbauflaeche zu erhalten oder einfach nur ebene Anbauflaechen.

Suonen + Mini-Wasserfall!!!
In Vedun angekommen ging das lustige Wegeraten weiter. Ueber die Strasse weiter oder oberhalb der Strasse. Die Karte brachte rein gar nichts und war so beschissen wie die Wegweiser. Erst mal Strasse dachte ich mir und kam bald auf eine Abzweigung zu einem Wanderweg, der mich an einer Suone entlang fuehrte. Na immerhin hat es sich diesbezueglich rentiert, von der Via Alpina gezwungenermassen abzuweichen, da ich wusste, was eine Suone fuer die Bauern bedeutet. 20 Minuten spaeter kam ich wieder irgendwo im Nirgendwo heraus und folgte der Beschilderung nach Cerellaz, dem Endziel der heutigen Etappe, das in 20 Minuten Entfernung liegen sollte. Meine Sehne schrie mittlerweile und war ueber diese geringe Restlaufzeit auch sehr erfreut.

Erst ist alles furz trocken...
Der Suone entlang lief ich weiter und kam dabei an wirklich schoenen Fleckchen vorbei, kleinen Baechchen, schoenen Aussichten, einem Wasserbecken. Nur nicht am Etappenziel. Dafuer aber in Charbonniere. Ja fix. Jetzt bin ich zu weit gelaufen. Heute ist einfach nicht mein Tag. Ueber die Teerstrasse ging ich dann noch eben verlaufend nach Cerellaz und gruebelte darueber nach, wo denn der Weg haette abzweigen sollen. Aber egal. Im Hotel "Des Alpes" bestellte ich mir erst mal ein grosses Bier und freute mich darueber, dass es mit 0,66 Liter endlich mal wieder richtig gross war. Mit meinen paar Worten italienisch konnte ich mich gleich nach den Preisen fuer ohne und mit HP erkundigen und so buchte ich nach dem Bier die HP, ohne ueber einen weiteren Abstieg nachzudenken, da ich meiner Sehne genug zugemutet habe und ich hier auch am Etappenziel war. Ich will verhindern, dass zu den gerade verheilenden Blasen eine chronisch entzuendete Sehne kommt. Es war gerade erst mal halb 3 und ich hatte die Etappe trotz Pause und dem Verlaufen sehr schnell durchlaufen.

... dann bin ich wieder in einem kleinen gruenen Fleckchen
Von einer Infektion wegen dem Zeckenbiss kann deshalb auch keine Rede sein. Im Zimmer angekommen fiel ich erst mal auf's Bett. Ich war wieder kaputt, da die Etappe mit 9 Stunden und 50 Minuten ausgeschrieben war. Erst mal doeste ich mind. eine Stunde vor mir her, ehe ich unter die Dusche sprang. Dann holte ich mir ein Eis und lief 5 Minuten durch's Dorf. Viel gibt es hier ja nicht zu sehen, also ging ich auf die Terrasse mit herrlichen Ausblick auf den ersten Teil der morgigen Etappe. Die HP bestand aus Nudeln mit Tomatensauce als Vorspeise. Zum Hauptgang gab es Karotten mit gruenem Gemuese und 2 Stuecken Fleisch. Dann holte ich mir noch einmal Nudeln :-). Nachtisch war fuer mich nochmal ein Eis. Einen halben Liter Wein habe ich jetzt auch intus. Mit Freude darf ich schreiben, dass die erste scheiss Kompasskarte fertig ist. Nur noch eine uebrig, bis ich wieder zu den franzoesischen greifen kann.

Bis auf die ganzen Verlaufer am Schluss der Etappe war das eigentlich ein recht schoener Tag. Vor allem aber wegen dem Wetter, das den ganzen Tag gut war. Meine ganze Hoffnung gilt nun dem Wetter in 2 Tagen, bei dem ich ueber einen Pass von ueber 2600 HM zurueck nach Frankreich komme. Deshalb hoffe ich, dass es morgen alles herunterhaut. Morgen laufe ich gerne im Regen, wenn ich in 2 Tagen trockenes Wetter habe.

Unendliche Weiten... und noch ettlich viele Tage bis zum Ziel
Da ich jetzt oft mit italienisch und franzoesisch konfrontiert war, sehe ich viele Parallelen in deren beiden Vokabular. Es heisst ja auch, dass die europaeischen Sprachen vom Lateinischen abstammen. Ich aber glaube, dass die damaligen lokalen Sprachen nur von Latein beeinflusst wurden und sich diese vermischt haben.

Meine Sehne behandel ich heute schon den ganzen Abend mit Mobilat und Bepanthen. Hoffentlich wird die wieder bis morgen. Mich wuerde es aber wundern, wenn das nicht der Fall waere. Aber morgen steht nur ein leichter Hatsch an. Meine Blasen sind auch fast verheilt. Morgen noch ein Blasenpflaster, dann sollte alles wieder passen.