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Samstag, 19.6.2010

Tag 11 - Fuck, Fuck, FUCK!!!

Weissenbach am Lech → Vorderhornbach → Hinterhornbach → Prinz-Luitpold-Haus
So, heute bin ich richtig fertig und hatte ein Erlebnis wie nie zuvor. Heute bin ich mehr an meine Grenzen gekommen.

Entlang des Flussbettes...
Auf 7:30 Uhr stellte ich meinen Wecker und stand dann um 7:45 Uhr auf. Im Zimmer sah es aus, als haette eine Kanone eingeschlagen. Meine ganzen Sachen lagen zum Trocknen im ganzen Zimmer verteilt. Erst mal trank ich etwas von meinem Fruehstueckssaft. Der gibt Vitamine und Energie - hoffte ich zumindest. Dann lief ich noch runter zum Fruehstuecksbuffet, um mir 2 Semmeln zu machen. Koernersemmeln um genauer zu sein. Ueberall haute ich ein bisschen Wurst und Kaese drauf. Dann machte ich mich abmarschbereit. Natuerlich pisste es und ich zog meine volle Regenmontur an, steckte eine Proviantsemmel in meine Hosentasche, die andere in meinen Rucksack und schon ging es los. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch optimistisch. Ich bin gerade sogar so fertig, dass ich mich nicht einmal an Details erinnern kann.

Ueber die Strasse ging es nach Hinterhornbach
Entlang des Lech-Fluss folgte ich erst einmal irgendeinem Weg. Soweit ganz schoen neblig war's und nass. Also alles in allem einfach beschissen. Allmaehlich reicht es mir. Seit 7 Tagen stiefel ich in den Bergen bei total BESCHISSENEN Verhaeltnissen herum! Bald ging es unter einer Bruecke durch - oder war's darunter? Ich weiss es nicht mehr... Entlang eines Weges zu einem Schotterwerk wurde ich per Fahrradschild auf den richtigen Weg verwiesen, welcher auch mit den Via Alpina Schildern versehen war. Schnell hatschend war ich bald bei ein paar Pferdal bei Feldele, die natuerlich gestreichelt werden wollten. Aber nur kurz! Schliesslich musste ich noch hoch zu einer Huette. Dann noch ueber eine Bruecke, dann rechts weg in's Schwarzwassertal. Oder auch nicht. Ein Schild stand dort mit der Aufschrift "gesperrt". FUCK! Zefix! Was jetzt? Erst einmal packelte ich mein Tagebuch aus, denn der ausgedruckte Via Alpina Fuehrer ist hinten nach den blanko Seiten eingeheftet. Bei der Nummer, die darin angegeben war [Die Nummer von der Huette] meldete sich aber niemand :-(. Tja, was nun? Wegen dem Regen waren auch keine grossen Kartenstudien drin. Im Nachhinein haette ich um den Berg auch noerdlich nach Oberstdorf herumlaufen koennen. Auf einen kurzen Blick bot sich nur eine Alternative: Geradeaus weiter und einen alternativen Aufstieg verwenden. Ein "paar km weiter ging es auch in ein Tag rein, von dem auch ein Weg hoch zur Huette fuehrte. Also weiter. Weiter auf einer Teerstrasse. Da sehe ich gerade beim Beschauen der Bilder meiner Kamera, dass ich erst hier die Pferdal gestreichelt hab. Ach egal. Irgendwann halt. Bin verpeilt. Ach fuck. Ueber eine regnerische Strasse erreichte ich dann auch endlich eine Bruecke. Unterstand! So konnte ich endlich mehr Zeit in Kartenstudien investieren. OK. Erst mal nach Vorderhornbach, dann nach Hinterhornbach. Dann uebernachten und erst am naechsten Tag hoch zum Prinz-Luipold-Haus.

Der Eigentuemer der Schwabegg Huette, der mir erfreulicherweise fuer ein paar Minuten obdach gewaehrte
Vorderhornbach war bald erreicht... ueber die Hauptstrasse. Genauso ging es weiter nach Hinterhornbach. Hatsch um Hatsch. Meine Semmel in der Hosentasche hatte ich schon kurz nach dem Schotterwerk verdrueckt. In Vorderhornbach lief ich gleich weiter nach Hinterhornbach. Natuerlich ueber die Teerstrasse. Alle Wanderwege wuerden nur "fern ab" von diesem direkten Weg fuehren. Und natuerlich pisste es immer noch. FUCK! Die wenig befahrene Strasse fuehrte entlang einer Schlucht. Eine halbe Ewigkeit folgte ich der Strasse, bis ich wieder mal ein Ortseingangsschild sah, was den ersten Gasthof in Hinterhornbach kennzeichnete. Bis zum zentralen Dorf war es aber mind. noch 1 km. Beim Gemeindeamt machte ich nochmal 10 Minuten Pause. Das hatte naemlich einen ueberdachten Eingangsbereich. Irgendwann habe ich auch Valentin und Johannes angerufen, wobei ich nur Johannes erreichte. Ihn bat ich, mir eine gueltige Huettennummer zu besorgen. Im Endeffekt alles fuer die Katz, weil die Huette kein Telefon hat. Nur eine Hotline, bei der gesagt wurde, dass die Huette offen hat. Na besser als nichts! Mittlerweile war es 2 Uhr. Bei einer Wirtschaft fragte ich dann ein Maedel, wie lange man hoch zum Prinz-Luitpold-Haus braucht, woraufhin sie mich an ihren Bruder verwies, der drinnen Koch ist. Er sagte mir dann, dass man ca. 4 h hochbraucht und er empfahl auch Steigeisen. Das war das erste Mal, dass mir Steigeisen empfohlen wurden! Dann meinte er noch, dass es heute Nacht noch schneien soll. Bei dieser Aussage machte es bei mir klick. 2 Uhr + 4 Stunden = 6 Uhr und wenn richtig viel Schnee faellt, koennten vllt. sogar Neuschneelawinen abgehen, da mit dem bisherigen Regen der Untergrund fuer den Neuschnee richtig rutschig werden koennte. Ausserdem kaeme ich bei einer moeglichen Unbegehbarkeit des Weges nicht mehr aus diesem Fleck heraus - nur noch mit mind. 2 Tagesmaerschen - wieder ueber Weissenbach, von wo ich herkomme.

Blick zum Joch, ueber das ich NICHT musste
Also auf! Noch heute hoch zur Huette. Der Wanderweg fuehrte direkt vom Gasthof Adler nach oben. Schoen gemuetlich ging es die erste Zeit nach oben. Ueber kleine Wanderwege, die immer wieder einen Forstweg kreuzten konnte ich mit der Karte ziemlich gut meine Hoehenmeter abschaetzen. Beim Weg nach Hinterhornbach machte ich auch noch eine weitere schlechte Entdeckung: Vor mir lag - wenn es die Wolken zuliesen - ein Berg, der sowas von Schnee bedeckt war, dass es mir Angst und Bange wurde. Deutlich unter 2000 HM war der Schnee zu sehen. Bewusst langsam stieg ich hoeher und hoeher. Erstes Ziel war die Schwabegghuette auf 1700 HM, also der Haelfte der HM, wenn man von Hinterhornbach direkt zu den maximalen HM rechnete, der Balkenscharte auf 2172 HM. Gerade faellt mir auf, dass diese Rechnung nicht stimmte, da Hinterhornbach auf 1100 HM liegt. Egal. Nach einiger Zeit mehr oder weniger gemuetlichen Hatsches sah ich dann die Schwabegghuette, an der ich Rast machen wollte. In der Karte war diese auch nur Schwarz eingezeichnet, sodass ich davon ausging, mich einfach nur auf eine Bank in der Naehe setzen koennte [nix gut deutsch]. Doch das Schloss von der Tuer war weg. Juchee! Ein trockener Platz. Als ich durch die Tuer ging, sagte jemand "Privathuette" wobei ich ganz lieb fragte, ob ich mich kurz reinsetzen duerfte. Ja, das war dann ok und so war ich fuer 15 Minuten im Warmen und unterhielt mich mit dem Gastgeber ueber meine Tour und seine Abschaetzung fuer den bevorstehenden Weg. Er meinte 2,5 h, das schon ueber meiner Schaetzung von 2 h lag. Bei der Verabschiedung sagte er mir noch von sich aus die Temperatur: 6-7 Grad. FUCK! Es ist ja tatsaechlich Schweine kalt. Mein vor der Tour neu erworbenes langaermliges Oberteil brachte aber gute Leistung. Solange ich nicht all zu lange still stand, passte die Temperatur. Die angenaehte Kopfbedeckung von meiner Regenjacke benutzte ich auch nicht. Nur die von dem Oberteil.

Viel harter Schnee, der gelaufen werden will
Ueber einen kleinen Grat ging es dann weiter, bis ich an die Abzweigung kam, wo es links hoch zum Vogel geht, welcher sich mir ab und zu in seiner halben Pracht zeigte und rechts weiter entlang des Kuhkars. Der rechte Weg, welchen ich auch waehlte, war auch frei von Schnee! Juhuu! Ueber so etwas freue ich mich in letzter Zeit immer mehr. Erst etwas runter, ging es dann bald wieder etwas hoch. Nix besonderes. Doch dann warf ich einen Blick auf das Fuchskar, als ich bei Fuchsensattel ankam. FUCK! FUCK! Zefix. Meine schlimmsten Befuerchtungen bezueglich noerdlich ausgerichteter Haenge haben sich erfuellt. Einen Haufen Schnee und steil war das Teil auch noch. Schon nach den ersten paar Metern packte ich meine Steigeisen aus. Der Schnee war sehr hart, sodass es nur sehr schwer moeglich gewesen waere, sichere Tritte zu setzen. Das Problem war immer, dass zwischen den Schneefeldern viele Meter dazwischen lagen [ohne Schnee] und der Zwischenweg mit Steigeisen nur schwer begehbar war. Deshalb fing ein staendiges Steigeisen An und Ab an. Fuck! Nicht nur, dass mich das setzen von Tritten schwaechte, auch das staendige an und ab zehrte an meinen Kraeften. Hinzu kam auch noch, dass es die erste Zeit wieder mal berab ging. Wertvolle HM, die ich spaeter wieder reinholen muss. Das Schlimmste war allerdings ein Anstieg von dem nur zu 20 % der eigentliche Weg sichtbar war. Dort schleppte ich mich ueber die noch freien Geroellfelder hoch, in denen natuerlich kein Weg war. Das raubte mir dann noch die letzte Kraft. Vllt. waere es auch besser gewesen, das Geroellfeld auf Schneebasis mit Steigeisen zu ueberwaeltigen. Aber wegen der Abrutschgefahr war mir das doch nicht so recht [das eigentliche Problem war, dass ich alleine war]. Festes Geroell - auch wenn ich oefters 2 Schritte vor, 1 zurueck spielte - ist mir doch noch am liebsten. Dann kam ich endlich in einen Bereich, der mehr Schneefreiheit versprach: Drahlseil gesicherte Stellen. Die liefen sich auch sehr angenehm... mit Ausnahme der FUCK OFF Schneefelder. Ach zefix. kann es denn noch schlechter sein? Mittlerweile hatte es auch begonnen, zu schneien. Dann sah ich endlich die Balkenscharte, welches weniger Schnee versprach. Der Weg dorthin schien auch schneefrei zu sein, weshalb ich meine Steigeisen wegpacken wollte. Aber wo war meine Schutzhuelle?!? Zefix! FUCK! Scheisse! Zefix! Die hatte ich wohl beim Auspacken vergessen an meinen Hueftgurt zu haengen. Auf den letzten 3 Schneefeldern hatte es mich auch 2 mal geschmissen, wobei ich mich gluecklicherweise instinktiv mit dem Einschlagen von den Steigeisen abfangen konnte, als ich mich auf den Rucksack drehte. Das erste Schneefeld ueberquerte ich nochmal, um zu sehen, wo mein Beutel lag. Weit entfernt. Genauer gesagt 2 Schneefelder und mind. 20 Minuten. Nein. Das ist es mir echt nicht wert. So liess ich meinen Steigeisenschutz zurueck. Waere es mein Wuschl gewesen, waere ich natuerlich zurueck gegangen.

Die Treppe beim Joch
Dann erreichte ich endlich die Scharte. Ein Blick ueber diese gab mir Hoffnung. Deutlich weniger Schnee .Ausserdem muss die Huette in der Naehe sein. Erst mal ging es dann sehr schnell ueber Stahltreppen und sonstige Befestigungen herab. Die Steigeisen hielt ich in meinen Haenden. Im Rucksack kann ich diese ohne Schutzhuelle nicht unterbringen. Sonst waere alles geschrottet. Weiter und weiter ging es bergab, bis ich zu einer Kreuzung kam, bei der alles ausser die Huette ausgeschrieben war. Ja Zefix! In der Ferne sah ich dann Wasserleitungen. Und wo sollen die hinfuehren ausser zur Huette [In der Karte sah ich nach, ob sich in der Umgebung noch eine andere Huette befand, was nicht der Fall war]? So hatschte ich einfach weiter bergab in die Richtung, in die kein Wegweiser zeigte und konnte bald einen See sehen. Ein weiterer Blick auf die Karte zeigte, dass die Huette neben dem See lag. Jetzt konnte ich den Schemen der Huette auch im Nebel erkennen. Nach weiteren 20 Minuten und einen letzten Steigeiseneinsatz war ich dann endlich da. Endlich Sicherheit. Mittlerweile war es 7 Uhr!!! FUCK! Ich bin heute 10 Stunden durchgelaufen. Dementsprechend fuehlte ich mich.

Das Prinz-Luitpold Haus im Dunst des Nebels
Total niedergeschlagen bestellte ich mir erst mal einen Enzianschnaps. Um's kurz zu machen (es ist schon 11 Uhr und ich will in's Lager): Erst packte ich alle Sachen zum Trocknen aus. 100 % dicht ist nunmal nichts von meiner Ausruestung. Dann ging ich Duschen. Hier gibt es naemlich eine heisse Dusche. 2 x 3 Minuten goennte ich mir. Dann ein leckeres AV-Essen. Linseneintopf mit ein Paar Wienerl, einen super leckeren Apfel-Streusel-Kuchen und diverse weitere Bier und Schnaepse. Der Trockenraum ist endlich auch mal wieder gut beheizt. Gerade schneit es auch auf dieser Hoehe (1850 HM). Mal schauen, was ich morgen mache. Die Via Alpina wuerde auf ueber 2000 HM verlaufen...

Besonders ueberrascht hat mich die Rechnung. Alles ist hier ziemlich billig im Vergleich zu anderen Huetten. Beim letzten 300 Meter Abstieg ab der Scharte und einige Zeit davor lernte ich auch noch eine andere Eigenschaft meines Koerpers kennen. Er beschwerte sich nicht mehr. Anscheinend wurde das Erschoepfungszentrum abgeschaltet: Beim Abstieg rutschte ich sehr oft aus, ohne mich abfangen zu koennen [oder wollen?]. Das hat mir gezeigt, dass ich total fertig war. Eine weitere Wanderkarte ist erledigt!