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Montag, 21.6.2010

Tag 13 - Pause wegen Schnee

Oberstdorf → Oberstdorf
So, und weiter mit dem Abstieg vom gestrigen Tagebucheintrag. Ueber Schneebedeckte Wege ging es bergab. Ein Gefuehl fuer geschaffte HM hatte ich nicht mehr. Ich war einfach nur froh, dass ich einfach nur den Fussspuren im Schnee nachtapsen musste. Alle paar hundert Meter fand ich immer wieder Markierungen sobald ich direkt davor stand. Ueber einen kleinen Bach ging es auch mal wieder. Kurz danach kamen mir die ersten Leute vom "Sommertraining" der Bergwacht entgegen, die an dem Wochenende irgendeinen Kurs abhalten wollen. Natuerlich wuenschte ich denen viel Spass bei Iglu bauen :-). Bald kam ich dann endlich bei der unteren Baerguendelalpe heraus. Diese lag auf 1322 HM und der Schneefall wechselte kurz zuvor hin zu Regen. So konnte ich immerhin sehen, worauf ich herunter lief und musste nicht die ganze Zeit darauf gefasst sein, abzurutschen. Mittlerweile habe ich es mir auch angewoehnt, selbst beim Abstieg die Schuhe locker geschnuert zu tragen. Irgendwie laeuft es sich damit bequemer. Ab der Alpe ging es nochmal gute 150 HM bergab, ueber wieder waldigere Gefilde und kleine Bruecken. Dann kam ich auf der Teerstrasse heraus, die mich wohl die naechsten km begleiten wird. Jetzt stand mir ein ewig langer Hatsch von ueber 10 km (wenn nicht sogar ueber 15 km) nach Norden bevor, statt direkt westlich ueber den Berg zu gehen.

Also auf geht's ueber die Teerstrasse, welche fast immer auf gleicher Hoehe blieb. So ersparte ich mir immerhin diese Kraft. Meine Handschuhe die ich mir schon bei der Huette angezogen hatte, waren auch schon ordentlich durchnaesst, hielten aber noch warm. Nach 2-3 km ueberholte mich dann ein Kleinbus der Bergwacht und sie hielten an um zu fragen, ob ich mitfahren will. Ja zefix! Wollen schon, aber ich will die Via Alpina laufen und nicht fahren. Mit einem Laecheln sagte ich ihnen dann, dass ich doch ein bisschen laufen moechte. Nach weiteren Minuten erreichte ich dann das Griebelhaus... und lief gleich weiter. Ich hatte heute einen riesen Hatsch vor, da kann ich mir am Anfang keine Pause leisten. Bei dem Haus haette es auch noch die Moeglichkeit gegeben, links Richtung Westen abzubiegen, um so ueber den Berg zu kommen. Da dies aber auf ueber 1900 HM (100 mehr als das Prinz-Luitpold-Haus) hoch musste und der Aufstieg sonnengeschuetzt lag, vermutete ich darin auch viel Schnee und evtl. zuviel fuer mich, nachdem ich mich am Tag zuvor uebernommen hatte. Wie auch immer bin ich eben auf der Strasse Richtung Norden gelaufen und unterhielt mich viel mit Kuehen in der "Muuuh" Sprache. Das Kommunikationsprotokoll schien aber nicht das gleiche gewesen zu sein, da sie mich immer noch doof anschauten. Womoeglich lag es auch einfach nur an meiner falschen Aussprache. Der Hatsch schien kein Ende nehmen zu wollen. Immer wieder schaute ich hinter mich um mir den schneebedeckten Berg anzuschauen. Wahnsinn, dass es jetzt soviel herunterhaut. Das geht sicher noch 2 Tage so weiter, bis es auch im Tal zu regnen aufhoert. Nach den ersten 2,5 h Hatsch kam ich dann an einem Unterstand vorbei, an welchem ich beschloss, ein Wurstbrot meines Lunchpaketes zu verdruecken und fuer 15 Minuten zu pausieren. Auf der Teerstrasse ging es dann wieder weiter entlang des Flusses, der mehr und mehr in einer Schlucht verschwand, aber auch bald wieder auftauchte, als ich ein paar HM tiefer gefuehrt wurde. [Vom Weg gefuehrt.] Dann erreichte ich endlich Hinterstein bzw. lief links daran vorbei um von der Teerstrasse auf einen angenehmeren Schotterweg zu gehen.

In Bruck angekommen, beschloss ich zu Mittag etwas Warmes essen zu gehen. Eine Apfelschorle und Rindergulasch. Zum Abschluss noch ein Spezi. Das musste heute wieder sein. km um km lief ich danach weiter. Teils ueber Schotterwege, teils direkt entlang der Hauptstrasse. Der Weg schien kein Ende zu nehmen. Wuerde ich immer ganz im Tal bleiben, muesste ich ueber Sonthofen laufen, was ich tunlichst vermeiden wollte. Einen alternativen Weg gab es noch: quer ueber Doerfer laufen, was mir gut 3 - 5 km eingespart hatte, also etwa 1 h! Nach links fuehrte zuerst eine Strasse ins Dorf Imberg, von wo aus ich Margarethen ueber einen Wanderweg erreichte. Ach nein! Imberg erreichte ich auch ueber einen Wanderweg. Das lag zwar 150 Meter ueber dem Tal, aber trotzdem hatte sich die Abkuerzung gelohnt. Vor allem, weil diese kleinen Wanderwege viel besser als eine Teerstrasse oder Schotterstrasse sind. Gewundert hat es mich auch, dass ich heute keine Probleme mit einem Wolf hatte. Vllt. lag das auch an meiner Bergsteigerhose [die lange, feste], die ich heute zum Kaelteschutz das erste Mal anhatte, darueber meine Regenschutzhose von der das rechte Hosenbein von den Steigeisen total zerstoert war. Da muss ich mir in Oberstdorf auch eine Neue kaufen, genauso wie eine Tasche fuer die Steigeisen. Als Taschenimprovisation liegen meine Steigeisen mit den Zacken auf einer Mars-Riegel Pappverpackung, umwickelt von einer Muelltuete im Schlafsackabteil meines Rucksacks. In Imberg war ich relativ schnell, danach ging es ueber einen steilen mit Treppen ausgebauten Wanderweg nach Margarethen. In der Karte war dieser Weg als Fahrradweg gekennzeichnet. Wieder mal sehr seltsam... Treppen.... Fahrradweg...

In Margarethen ging es dann ueber die Strasse runter nach Altstaedten, von wo aus ich noch runter nach Sueden bis nach Oberstdorf laufen wollte. Ich haette auch hier eine Unterkunft suchen koennen, dann haette ich aber am Tag darauf wieder all meine Sachen packen muessen, um die noch knapp 10 km zurueck zu legen. Denn eines war sicher: Mit dem Schnee dort oben muss ich in Oberstdorf ein oder zwei Tage pausieren. Mal ganz abgesehen davon, dass ich von den letzten 3 Tagen komplett fertig bin. Von Altstaedten lief ich dann weiter nach Fischen, nachdem ich mich durch den Schilderwald gekaempft hatte. Hab ich schon erwaehnt, dass es immer noch pisste? FUCK! Ueber eine Teerstrasse und kleine Kaeffer gelangte ich dann nach Fischen. Nach der Ueberquerung der Bruecke setzte ich mich dann 10 Minuten auf die dort stehende Bank. Immerhin lief ich seit dem Mittagessen und geschaetzten 18 km durch. Das Schlimmste am Hinsetzen und Rasten sind die erste Minuten beim Weitergehen. Meine Theorie hierzu ist, dass beim Rasten die Hornhaut an den Fuessen sich wieder mit der darunterliegenden Hautschicht verbindet. Laeuft man dann los, muss man erst wieder diese Verbindungsstellen aufreissen, bis es nicht mehr schmerzt, indem man auf einer riesen Blase am Ballen weiterlaeuft. Das tolle daran ist, dass das ueber Nacht tatsaechlich wieder fest dran waechst, wenn sich kein Wasser ansammelt.

Nachdem die anfaenglichen Schmerzen verschwunden waren, ging ich wieder ohne Humpeln weiter. Von den Stoecken machte ich vollen Gebrauch, um damit fuer die Fuesse etwas Gewicht abzufangen. Der Restweg ging zuerst rechts der Iller [ein Fluss] entlang. Irgendwie schien sich der Weg nie zu veraendern. Ewig langgezogen auf einem Wall gegen Ueberschwemmungen hatschte ich vor mich hin. Die Kurven waren schon fast geradlinig, sodass ich mich scheinbar nie vorwaerts bewegte. Dann kam endlich die Bruecke. Noch eine dreiviertel Stunde, dann bin ich in Oberstdorf. Die Bruecke noch schnell ueberquert und weiter ging es links der Iller, jedoch nicht so lange, da der Weg bald nach links abknickte, um der Trettach zu folgen. Dieser Weg kreuzte dann eine Hauptstrasse, bei der ich lt. Wegweiser gerade aus haette laufen sollen. Jedenfalls nach dem "E5" Wegweiser. Doch ich lief rechts weiter entlang der Hauptstrasse, dann beim Kreisel links. Das sollte mich direkt ins Zentrum bringen. Auf dem Weg ins Zentrum sah ich dann auch ein Schild mit "Zimmerreservierung" oder so aehnlich und in dem beschrifteten Gebaeude war sogar noch jemand drin. Diese Dame konnte mir zwar kein Zimmer reservieren das mir billig genug gewesen waere, allerdings haette sie eine Stadt-Detailkarte 4free und Tipps, wo ich eine guenstige Uebernachtung finden koennte. So ging ich weiter, am Bahnhof vorbei und in die Fussgaengerzone. Zuerst ging ich in ein Hotel um nach einem Zimmer zu fragen. 69 €. Ja neeee! Das ist viel zu teuer. Also rueber zum gegenueberliegenden Gebaeude "Alban". Dort war tatsaechlich noch ein Zimmer frei und das fuer knapp 40 €. Perfekt. Bei dem gegenueberliegenden Hotel lief ich auch auf der Stelle, um das Weitergehen in dem Fall eines zu hohen Preises zu erleichtern, wegen den Fussschmerzen bei kleinen Pausen.

Im Zimmer angekommen packelte ich erneut alles aus, weil mein Regenschutz ja nicht ganz dicht ist. Dann ging es los. Erst mal duschen... mit mir vorkommenden letzten Schmerzen, die meine Fuesse aushalten koennen. Dann bediente ich mich am Getraenkekuehlschrank, an dem man sich natuerlich kostenpflichtig bedienen konnte. Essen gehen musste ich auch noch! In der Halbzeit vom Fussballspiel ging ich noch schnell zu einer in der Naehe liegenden Wirtschaft, bei der auch das Spiel uebertragen wurde. Schnitzel mit Meerrettichpanade und Pommes gab es. Sehr lecker! Dazu 2 Bier. Danach watschelte ich wieder 50 Meter zurueck, flackte mich auf mein Bett, schaute noch ein bisschen Fernsehen und schrieb nebenbei am Tagebuch. Mir fielen in jedem Moment die Augen zu, aber immerhin schaffte ich noch ein paar Zeilen. Wieder mal war ich an diesem Tag an meine "fuesslichen" Grenzen gekommen, wobei ich an dem Punkt angelangt war, dass ich sicher noch haette ein paar km weiterlaufen koennen. Schmerz ist Schmerz und irgendwie war dieser mittlerweile halbwegs ausgeblendet. Immerhin hatte ich ueberhaupt keine Probleme mit einem Wolf.

Um 9 Uhr stand ich dann auf. Das erste, was ich bemerkt hatte, war, dass meine Fuesse alles andere als genug Erholung hatten. Immer noch spuerte ich bei jedem Schritt etwas Schmerzen, die eigentlich nach einer Nacht verschwunden sein sollten. Danach ging es zum Shopping: 3 Wanderlaeden klapperte ich ab, wobei 2 davon sich zwar mit Bergsport oder aehnlichem auf der Fassade beschrieben, diese aber eigentlich nur Muell an Touristen verkauften. Beim Intersport wurde ich dann endlich fuendig: Impraegnierspray, eine neue Tasche fuer meine Steigeisen und eine neue billig-Regenhose. Danach hatschte ich weiter zu einem Drogeriemarkt, um neues Waschmittel aus der Tube und neues Duschgel zu kaufen. Dann waschte ich auch noch den Rest meiner Ausruestung. Jedenfalls das, was mir waschenswert erschien. Dann trudelten auch meine Eltern mit Horst ein.

Horst laeuft naemlich ab sofort mit bzw. bleibt erst mal mit mir, genauso wie meine Eltern, hier in Oberstdorf, bis das schlechte Wetter vorbei ist und die Sonne den groebsten Schnee heruntergebrannt hat. Bei der naechsten Etappe liegt naemlich die Huette und der Weg davor bzw. nach der Huette auf ueber 2000 HM. Das ist mir einfach zu riskant. Nachmittags ging's dann gemuetlich zum Kaffeetrinken, bei dem irgend so ein teures Scheiss-Cafe Kuchen vom Vortag verkaufte. Solche Grattler! Abends gingen wir dann zum Italiener und gerade sitze ich mit meinem Vater vorm Fernseher, um Fussball zu schauen. Mit dabei ein Kasten Bier. Meine Mutter und Horst geben sich ein Operetten-Gejaule. Heute kam mir auch eine neue Idee, was ich so schoen an den Bergen finde: Normalerweise passt der Mensch die ihn umgebende Natur seinen Beduerfnissen an. Bis auf Wege, Markierungen und Huetten muss sich der Mensch in den Bergen aber der Natur anpassen. Back to the roots!