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Samstag, 17.7.2010

Tag 39 - Wetter, was machst du mit mir?

Mesocco (Bar Motto) → Ceta → Baitta de Trescolmen → Valbella → Rossa → Selma
Durch solche Wege stieg ich die ersten paar HM hoch
Diese Nacht konnte ich nicht gut schlafen. Es war warm und schwuel, kaum auszuhalten. Hoffentlich darf ich bald in kaelteren Gefilden schlafen, z. B. auf ueber 2000 HM! Das Fruehstueck bestellte ich mir auf 7 Uhr.

Zu meinem Erfreuen donnerten die Kiddies zumindest nicht in der Nacht mit vollem Karacho durch die Stadt. So hatte ich es zumindest leise. Die Schweiz bekommt von Tagesetappe zu Tagesetappe immer mehr einen italienischeren Zug. Fast keiner spricht mehr Deutsch oder Englisch. Es kommt mir gerade zu vor, als waere ich in Italien. Das Fruehstueck war wirklich mager: Ein paar Scheiben von einem Baguette, Marmelade und eine heisse Schokolade. Immerhin konnte ich mich gut vollstopfen, da ich gestern nur 2,5 Bier trank und nicht rauchte. Einerseits da eine harte Etappe ansteht, andererseits da Gewitter gemeldet ist und ich wieder vor 12 Uhr am Absteigen sein wollte. Von den gestrig eingekauften Sachen blieben noch zwei Wasser und die Dose Bier uebrig. Letzteres wollte ich nicht mehr mitnehmen, um meinen Ruecken etwas zu entlasten. Der jammert seit Tagen und Wochen herum :-(.

Dieses Wetter verlieh mir Extra-Speed
So brach ich nur mit einer Flasche Wasser im Rucksack um kurz nach halb 8 Uhr auf. Das Wetter sah so aus, als wuerde es bald zu regnen anfangen. In der Frueh vorm Aufstehen donnerte es sogar ein paar mal. Der Alternativweg waere ueber 30 km im Tal entlang gelaufen. So versuchte ich mein Glueck und begann mit dem Aufstieg. In der Karte verlief der Weg nach oben fuer die erste Zeit aehnlich steil wie der gestrige Abstieg. In Wirklichkeit war dieser aber angenehmer, da erstens der Weg breiter und sichtbar war und zweitens war der Weg nicht so steil sondern fuehrte ueber viele Schlenker nach oben. Ich war richtig froh, dass ich Konditionsmaessig wieder in Hoechstform war. So lernte ich es auch schon bei Muenchen-Triest kennen. Immerhin sitzt mir ein potentielles Gewitter im Nacken! 700 HM hatte ich bis nach Ceta zu schaffen, einer kleinen Siedlung (einer von unzaehligen, die ich bisher durchquert hatte) welche nur per Materialseilbahn beliefert wird. Die Haelfte an HM hatte ich in 1,5 h geschafft. Jetzt noch der Rest. Der Himmel stand fast still. Viel bewegte sich dort oben auch nicht. Wie immer waere ich froh gewesen zu wissen, wie der Himmel auf der anderen Seite aussieht. Nicht, dass ein Gewitter direkt auf mich zuweht!

Der Uebergang. Im Vergleich zum anderen Tal sollte man das schon etwas bessere Wetter des Val Bella beachten.
Nachdem beim Aufstieg meine Waden zu ziehen anfingen, kam nach einem kurzen weiteren 80 HM Anstieg eine Erholungspause. Der Weg fuehrte in gleicher Hoehe den Berg entlang. Ab und zu meinte ich einen Tropfen zu spueren aber solange es nicht richtig zu regnen anfing, bestand kein Handlungsbedarf. Die Schutzhuelle fuer meinen Rucksack hatte ich schon kurz vor dem Abmarsch druebergezogen, da ich fest mit Regen rechnete. Bald kam ich auf freier Flaeche heraus, die die letzten 400 HM einlaeutete. Die Wegmarkierungen waren reichlich gesetzt, sodass ich mit der Orientierung keine Probleme haette. Meine schlimmste Befuerchtung waere sowieso gewesen, wenn Nebel aufgezogen waere. Schritt um Schritt hetzte ich dem Uebergang entgegen. Desto naeher ich kam, desto beruhigter wurde ich, da ich mehr und mehr den blauen, nur leicht mit Wolken bedeckten Himmel auf der Zielseite sehen konnte. So stapfte ich auch die letzten Meter in aller Ruhe ueber eine Wiese hoch. 10 Minuten Pause waren jetzt auch drin. So setzte ich mich auf einen Stein in der Naehe und entspannte mich kurz.

Der Klogeruch... Schade, dass Texte nicht stinken koennen.
Runter musste ich ja auch noch! Die Schuhe schnuerte ich jetzt festern. 700 HM musste ich bis zum ersten Zeichen von Zivilisation wieder runter ins Valbella. Fuer mich passt dieser Name auch perfekt, da hier die Sonne schien :-). Sehr bequem ging ich ueber Wiesen und etwas Gestein runter zur Alp de Tresclomen, die 150 HM unter dem Uebergang war. Zu diesem Zeitpunkt waere mir Schnee lieber gewesen. Ein bestialischer Gestank von 1000 Dixi Toiletten schlug mir entgegen. Hier sollte eher eine Wueste stehen, soviel Kacktusse [Kakteen waere wohl besser gewesen] hier gepflanzt wurden - jedenfalls dem Geruch nach zu urteilen. Schnell ging ich von diesem Ort weg, weiter runter und weg von diesem verlassenen Ort. Der weitere Weg war wieder einmal zugewuchert. Ich bekomme allmaehlich das Gefuehl, dass die Via Alpina nur dazu in der Schweiz verwendet wurde, ein paar Trampelpfade von dem Via Alpinisten immer wieder freitrampeln zu lassen. Der Weg fuehrte entlang eines Flusses, der sich teilweise in eine kleine Schlucht verwandelte.

Blick herunter... und auch den Weg entlang... auch wenn keiner sichtbar ist.
2x musste ich ueber den Fluss drueber, beim ersten Mal aber nur ueber einen anteiligen Zufluss. Steil war wieder einmal der Hang, an dem der Weg entlang fuehrte, dafuer aber auch sehr schoen. Im Fluss war immer noch sehr viel Schnee zu sehen, der durch das Wasser wohl eher aus Eis als Schnee bestand. Es war fuer mich wieder einmal die grosse Frage, wie man hier einen Weg durch finden konnte. Der Wanderweg ging sogar mal im Flussbett, wobei die Markierungen von Steinmaennchen ergaenzt wurden. Das Tal wurde breiter und damit auch der Wanderweg. Von weitem sah ich wieder einmal etwas roetlich leuchten. Ja! Das ist eine Feuerlilie. Mei hab ich mich gefreut! Zum zweiten Mal leuchtet mich das Ding an. Ich stelle mir nur die Frage, wieso das Teil nicht vollstaendig geschuetzt ist, da andere vollstaendig geschuetzte Pflanzen teilweise wie Unkraut wuchern. Bald hatte ich das "Schlimmste" vom Abstieg hinter mir und kam ueber eine Bruecke und ein paar Meter weiteren Wanderwegs in Valbella heraus. Jetzt wollte ich eigentlich nur noch eine Einkehrmoeglichkeit haben. Da ich beim Aufstieg stark gepowert habe, hatte ich Durst den das einfache Wasser in meiner Trinkblase nicht loeschen konnte. Nur gab's in Valbella nix.

Eine der schoensten Blumen, die ich leider viel zu wenig zu Gesicht bekam.
Also hurtig weiter die Strasse entlang, bis ich 3 km weiter in Rossa bei einem Lokal direkt an der Strasse einkehrte. Erst mal aus den Schuhen raus! Die Socken liess ich auch ausgezogen in der Sonne trocknen. Zuerst schuettete ich eine Cola in mich rein. Da meine Fuesse schon wieder stark schmerzten auch noch ein Bier hinterher. Ja! Drogen muessen sein! Etwas plagte mich aber schon: Seit Tagen schepper ich einen Berg hoch, nur um am gleichen Tag wieder herunter zu scheppern. Allmaehlich geht mir das tierisch auf den Sack. Bleibt die Via Alpina in diesem Teil auch einmal auf einem Hoehenweg? Inzwischen habe ich auch das Gefuehl fuer die Etappen verloren. Ob ich heute schon weiter waere oder nicht, spielt keine Rolle mehr. Wenn ich telefoniere und von 2 bis 3 Wochen rede, dann fuehle ich nicht, dass das lange waere. Bei M-V waere das aber ueber die Haelfte der Strecke gewesen! Nach 1 h Pause beschloss ich mit meinen Billig-Sandalen weiterzulaufen, da es meist nur noch ueber eine Fahrstrasse ging. Der Strasse entlang klapperte ich dann diverse Doerfer ab und achtete auf eine moegliche Unterkunft fuer heute Nacht, da in Selma evtl. lt. einem Wandererkommentar keine existieren soll. Ich wollte aber trotzdem erst nach Selma.

Ob ich heute noch zelten musste, war mir noch nicht ganz klar.
Nach 8 km Hatsch, der dank meiner Schlappen aeusserst bequem war kam ich ueber eine Forststrasse mitten in Selma an. Bei der Bruecke weiter unten sah ich eine Art Wirtshaus, zu dem ich gleich runterging und nach einer Unterkunft fragte. Der Mann dort fing dann das Telefonieren an und gab mir dann den Hoerer. Dran war eine deutsch sprechende Frau die meinte, dass sie ein Zimmer in Selma frei haette und mich mit dem Auto abholen wuerde. Auto? Nicht mit mir! Ich sagte ihr, dass ich zu den seltsamen Via Alpina Gaengern gehoere, die nur zu Fuss laufen. So trafen wir uns um 16 Uhr oben bei der Kirche wo auch ihr kleines Haus stand. Seit diesem Jahr hat sie ein B&B Zimmer verfuegbar. Perfekt! Ich hab schon seltsames Glueck. Ob ich noch jemals Zelten werde?!? Gegessen habe ich in dem gleichen "Gasthaus", dass das Zimmer vermittelt hat. Damit hat Selma auch sicher eine Moeglichkeit der Uebernachtung. Da ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte, gab's zuerst einen Salat, dann eine Pizza. Beides verdrueckte ich komplett. Fuer morgen brauche ich viel Energie. Fast 2000 HM muss ich Morgen insgesamt hochsteigen. Nach dem Essen packte ich mich wieder mal in meine mitgenommene Regenjacke. Es regnete naemlich, wenn auch nicht viel. Ich bin froh, dass das Zeug endlich mal runter kommt. Das war schon lange ueberfaellig. Nur wird es deshalb morgen sehr schwuel, da die Sonne mit 30 Grad scheinen soll. Heute werde ich wohl seit 3 Tagen wieder mal nicht im Schlafsack pennen, da das Bett hier nicht aus 100-tausend Lagen besteht [Keine Ahnung, was ich damit gemeint habe].