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Donnerstag, 14.7.2010

Tag 36 - Seltsames Wetter

Maloja → Pass Lunghin → Forcellina → Juf → Puerd → Innerferrera
Das billigste und eher unkomfortable Hotel in dem ich zwangsweise uebernachten musste...
Heute wurde es ein richtig harter Hatsch. Laut Guidebook waren es ueber 32 km mit viel auf und ab.

Schlafen konnte ich relativ gut, auch wenn es in dem Zimmer sehr gestunken hat - aber nicht von mir! Auf 6:45 Uhr stellte ich meinen Wecker und war um 7:15 Uhr unten beim Essen. Richtig Hunger hatte ich nicht, was wohl an den paar Flaschen Bier lag, die Gestern noch bis kurz nach 11 Uhr geleert werden wollten! Frische, noch warme Semmeln, verschiedene Mueslis uvm. Ja. So sollte ein Fruehstueck aussehen. 2 Semmeln und einen Apfel nahm ich mir mit und ass nur ein Muesli. Mehr ging im Moment nicht rein.

Bei diesen seltsamen Wolken in der Frueh musste ich wohl Bedenken haben... oder haette mich informieren sollen, was die Wolken bedeuten
Durch den Hinterausgang startete ich heute meine Tour um 7:45 Uhr und ass zuerst mal den Apfel, welchen ich auch seit ein paar Tagen mitschleppe. Der Heute Mitgenommene ist als Reserve fuer die kommenden Tage gedacht. Zuerst musste ich wieder ein paar Meter entlang der Strasse zuruecklegen, bis der Wanderweg links abzweigte. Soweit hatte ich das bei meinem gestrigen Rundweg noch abgecheckt. Und schon war ich weg von diesem Loch, da es nur noch ueber huebsche Wanderwege weiter hoch ging. Nur das Wetter gab mir zu denken. So etwas hatte ich vorher noch nie gesehen. Ein paar Wolkenfloeckchen hier, dichte Wolken dort, in der anderen Richtung wieder Sonnenschein. Ich hoffte nur, dass das Heute gut ging mit dem Wetter. Gestern war kein Regen und heute erwartete ich definitiv Regen. Wie ich schon Gestern aus meinen geliebten Swiss Topo Karten lesen konnte, ging es jetzt erst mal steil bergauf. Auf diese Weise konnte ich den Silsersee von oben sehen, genauso wie Maloja von dem ich so schnell wie moeglich weg wollte. Wie Gestern nahm ich mir auch heute vor, ohne Pausen aufzusteigen. Deshalb hielt ich mich etwas zurueck, um nicht komplett ausser Atem zu kommen. Schnell kam ich hoeher und hatte auch mit Bison aehnlichen Viechern zu tun, denen ich lieber aus dem Weg ging, da Jungtiere in der Naehe waren. In grossem Bogen um diese Tiere (Kuehe wuerde ich schreiend vor mir herscheuchen) hatschte ich wieder weiter hoch und schon ueberholte mich einer der Berglaeufer, der aber wg. meiner mittlerweile guten Kondition ein paar Minuten brauchte, um mich einzuholen. Ich hatte immerhin meinen Rucksack mit drauf, der mich doch sehr stark ausbremste.

Rasta Kuehe!
Nach den ersten 350 HM ging es erst mal ein paar Minuten gemuetlicher bergauf um dann wieder steil nach oben zu gehen. Schon kam mir der naechste Berglaeufer entgegen. Ich machte ihm den Weg frei und nahm einen tiefen Atemzug. Verflucht verschissene Scheisse! Genau in diesem Augenblick hielt es eine Fliege fuer noetig vor meinen Mund zu fliegen und ich schnaubte diese in das letzte Hinterstuebchen meiner Lunge ein. Super toll. Ich hustete mir die halbe Lunge heraus, als der Berglaeufer an mir vorbeisprang. Ob ich die Fliege wieder herausgehustet hab' oder nicht weiss ich immer noch nicht aber ich hoffe, dass das Mistviech tot ist. Weiter ging es hoch bis zum See (ca. 250 weitere HM), bei denen doch tatsaechlich ein paar Angler standen. Ich bin ja schon relativ frueh aufgestanden, aber die muessen hier ja schon uebernachtet haben oder in der Nacht aufgestiegen sein. Ab hier gab es auch wieder vereinzelte Schneefelder, die ich queren musste, wobei meistens bereits Spuren sichtbar waren. So gelangte ich relativ schnell die weiteren 200 HM ueber eine bequeme Steigung hoch zum Pass Lunghin. Die ganze Zeit hoffte ich, dass es keine Wolke zu mir rueber weht, die mich in diesiges, nur halb durchsichtiges Zeug einhuellen wuerden und das Wahrnehmen der dieses Mal etwas selteneren Wegmarkierungen schwierig werden lassen wuerde. Ich hatte aber Glueck und erreichte den Pass auf 2645 Metern Hoehe, an dem die Dreifach Wasserscheide stand von der aus das Wasser in 3 verschiedene Fluessen gehen soll - oder so aehnlich.

Und schon wieder Schnee!!!
Jetzt ging es erst mal wieder runter. Das Wetter liess mir keine Ruhe. Mal war dort eine dunkle Wolke, mal nur ein Floeckchen, mal nur der strahlend blaue Himmel. Die Wolken wurden nur so vor sich hergeweht. Das schoene daran war natuerlich, dass ich nie fuer lange Zeit der Sonne ausgesetzt war. Beim Septinerpass war ich relativ schnell unten, der 300 gemuetliche HM bergab lag. Die Schneefelder nutzte ich, um Bergschuhfahren zu ueben und bekam dabei die Idee, mal kleine Skier zu entwerfen, die man aehnlich wie die Steigeisen befestigen kann. Dann sollte fast nichts wiegen und einen heiden Spass auf ein paar Wochenendtouren bedeuten :-). [Leider gibt's die schon :-(]

Bei dem unteren Pass machte ich jetzt auch eine viertel Stunde Pause, verdrueckte eine der Semmeln und wunderte mich ueber 2 Mountainbiker, die ihr Fahrrad ueber den Pass geschoben hatten, der mir noch bevorstand. Wieso legen die sich nicht einfach Reissnaegel in ihre Schuhe und huepfen darauf herum? Es macht ueberhaupt keinen Sinn, sein Fahrrad hier rueber zu schieben! Fahren ist hier rueber schlichtweg unmoeglich. Erst ab diesem Pass fuehrt ein befahrbarer Weg weiter. Seltsames Volk, diese Mountainbiker. Immer mehr Leute kamen mir entgegen, was mir wieder seltsam vorkam. Ein Blick in die Karte gab mir aber auch keine Antwort in Richtung Gondel oder Fahrstrasse. Dann sind die tatsaechlich mind. 500 HM hochgelaufen. Vielleicht kam davon das teils sehr grantige Gesicht so mancher Wandersleute, aber gegruesst wird trotzdem. Das ist auch etwas, was in der Schweiz anders zu sein scheint. Kaum bin ich ueber die Grenze, schon scheint jeder freundlicher zu sein und zu gruessen. Hier scheinen sogar die Aelteren noch bergaktiv zu sein!!! Bis auf die hoeheren Preise gefaellt es mir hier ausserordentlich gut. Jetzt musste ich nochmal 350 HM hoch zum Pass Forcellina. Um's kurz [beim Schreiben] zu machen, lief ich auf ein paar kleinen Seen vorbei, ueber einen gemuetlichen Weg, weiter Oben wieder ueber etwas Schnee und das war's auch schon. Ich war Oben und konnte mir auch das Wetter auf der anderen Seite anschauen. Das passt alles. Das sah genauso seltsam wie auf der anderen Seite aus.

Die Wasserscheide
Jetzt ging es fast nur noch bergab bis nach Juf, dem Endziel der heutigen Via-Alpina Etappe. Beim Abstieg fielen mir wieder mal huebsche Bergschuhe in die Augen. Die gleichen, wie ich sie trage und wie ich sie wohl wg. ihrer auffaelligen Farbgebung schon oefters wahrgenommen habe. Dieses Mal konnte ich mir aber ein "huebsche Wanderschuhe" nicht mehr verkneifen. Nicht nur, dass sie huebsch sind, die taugen auch richtig was! Nur ist meine Sohle mittlerweile stark abgehatscht. In 3 Wochen - wenn ich denn weiterlaufe - bringen mir meine Eltern aber ein paar Neue. Als sich die Sonne beim Abstieg wieder blicken liess, machte ich wieder eine Pause, um die naechste Semmel zu verdruecken. Dann ging es ab der naechsten Weggabelung steil bergab. In sehr kurzen Abstaenden schlaengelte sich der Weg herunter. Bei sehr kurzen Wechseln hatte ich zusammen mit dem Stockeinsatz sogar einmal das Gefuehl herunter zu tanzen! Der Abstieg dauerte laenger als erwartet und im "Tal" auf knapp 2200 HM (!!!) lief ich rueber zu Juf. 4,5 h brauchte ich fuer diese Etappe, statt der im Fuehrer angegebenen ueber 6 Stunden. Wie schon bei meinen vorherigen Weitwanderungen schien ich jetzt den Knackpunkt erreicht zu haben.

Der Abstieg, der zum Tanzen animiert
Der Kiosk in Juf hatte noch eine Stunde geschlossen. Es war naemlich erst viertel nach 12. An der Uebernachtungsmoeglichkeit lief ich vermutlich vorbei. Da ich aber sowieso vor hatte, 2 Etappen zusammen zu legen, verliess ich das Dorf in Richtung Inferrera, das "nur" die Strasse bergab lag. Diese hatschte ich also erst mal eine Zeit entlang um nach einer halben Stunde bei der naechsten Moeglichkeit rechts einzukehren. Jetzt ist erst mal Pause angesagt, sonst packen meine Fuesse den langen Abstieg nicht mehr. Wieder mal machte ich Gebrauch von Drogen: 2 Flaschen Bier und 2 Zigaretten. Das Bier pfiff ordentlich rein, weshalb ich gleich einen sitzen hatte. Die Socken trocknete ich auf einem Stuhl und zog meine Sandalen an. Dabei stellte ich auch fest, dass sich ein Reissnagel in die Sohle gerammt hat. Da hatte ich Glueck, dass der Nagel leicht verbogen war. Als Endziel in Inferrera war nur das Gasthaus Alpenrose angegeben. Um auf Nummer sicher zu gehen, dort auch eine Unterkunft zu finden, wenn ich jetzt den Hatsch auf mich nehme, rief ich dort an. 60 Franken soll dort ein Einzelzimmer kosten!!! 5 Franken mehr als an dem Pass. Bei meiner Einkehr [an der ich mich gerade befand] erfuhr ich, dass hier ein Zimmer das doppelte kosten wuerde und Innerferrera keine Alternative existiert. Also rief ich nochmal an und machte das Ganze fest. So konnte ich mir einer sicheren Unterkunft am Ziel gewiss sein.

Die "alte" Strasse, abseits der Fahrstrasse
Nach einer Stunde ging ich weiter und stolperte erst mal ueber meine Wanderstoecke. Die 2 Bier praellerten ganz schoen! Zuerst folgte ich der Hauptstrasse immer weiter bis nach Puerd, wo ich auf den etwas mehr versprechenden Wanderweg ueberging und bei Cresta bei der Kirche wieder nach etwas auf und ab herauskam. Nach Cresta und ein bisschen Hauptstrasse ging ich wieder entlang des Wanderwegs, der vor ein paar Jahren restauriert wurde. Der Wanderweg war naemlich die urspruengliche Strasse, die hier hoch fuehrte. Ansonsten haette ich ueber eine riessige moderne Bruecke hatschen muessen. Der Wanderweg aber war unbeschreiblich schoen. Ich versuchte mich in die Zeit zu versetzen, in der die Leute aus Juf diesen Weg nehmen mussten - zu Fuss oder zu Pferd. Ueber eine kleine Bruecke gelangte ich schliesslich ueber den Fluss und kam in den Genuss eines weiteren sinnlosen Wegweisers. Zuvor waren schon bei einer Stadlwand zwei Via-Alpina Wegweiser in die gleiche Richtung zeigend angebracht. Jetzt standen sogar auf einem einzigen 2 Doerfer in entgegengesetzter Richtung. Aber die Swiss Topo Karten luegen nicht. Ab Crout folgte ich weiter der Hauptstrasse. Anscheinend hatte ich einen Wegweiser uebersehen, denn auf der gegenueberliegenden Seite des Flusses verlief ein Wanderweg :-(.

Der Durchbruch, ohne den viele den Weg nicht geschafft haetten
Bei einer weiteren Baustelle entdeckte ich einen Wegweiser weiter oben und querte zu diesem ab, was sich letztendlich als wenig rentabel herausstellte. Der Weg fuehrte schon bald wieder hinab zur Strasse. Mein Magen knurrte schon wieder. Vor allem musste der Tilsiter Kaese weg, den ich mir gestern gekauft hab. Darauf stand, dass dieser unter 5 Grad gelagert werden muss. Neben der Strasse fand ich schon bald eine passende Hangmauer und ich fing das Futtern an. Der Kaese war mittlerweile mehr als lapprig, schmeckte aber noch gut. Schon 2 km zuvor zweigten immer wieder Wanderwege ab, die kurz hoch gingen, um 50 Meter spaeter wieder auf der Autobahn [der Fahrstrasse] heraus zu kommen. Nicht mit mir! Meine Karte gab mir genug Infos, um die meisten dieser sinnlosen 10 HM runter/hoch zu umgehen. So benutzte ich auch wieder den Wanderweg, als die Strasse durch Tunnel fuehrte und war wieder ueberrascht, was hier fuer ein schoener Weg erstellt wurde. Der fuehrte naemlich entlang des Flusses, in dessen Form ihn nie ein Autofahrer zu Gesicht bekommen wird. Hier scheint es sogar ein "Stream-Hiking" zu geben, dass ich bisher nur aus Hongkong kannte: Wegmarkierungen sind auf Steine im Fluss gemalt.

Endlich am Ziel mit schmerzenden Beinen... und das mit der Gewissheit, ein Dach ueber dem Kopf zu haben.
Nach ein bisschen mehr Strasse und erneutem Wanderweg gelangte ich endlich nach Innerferrera und der Unterkunft Alpenrose. Das Zimmer war erstaunlich schoen und alles sehr modern. Zuerst duschte ich mich, wusch meine Sachen und ging zum Essen. Ich bestellte mir Hack-Bitoches, Pojarski-Sauce und Magronen. Das hat soooooooo verdammt gut geschmeckt! Das war richtig lecker! So lecker, dass ich mir auch nicht das Kompliment an den Koch sparen konnte. Jetzt sitze ich hier noch draussen, geniese Zigarette und Bier, bin schon stolz auf mich, dass ich die beiden Etappen zusammenlegen konnte und geniese die Ruhe und die relativ warme Nacht.