Zu Tagebuch Eintrag
1  2  3  4  5  6  7  8  9  10  11  12  13  14  15  16  17  18  19  20  21  22  23  24  25  26  27  28  29  30  31  32  33  34  35  36  37  38  39  40  41  42  43  44  45  46  47  48  49  50  51  52  53  54  55  56  57  58  59  60  61  62  63  64  65  66  67  68  69  70  71  72  73  74  75  76  77  78  79  80  81  82  83  84  85 
 

Mittwoch, 7.7.2010

Tag 29 - Tschuess Ortler!

Stilfser Joch → Pass Umbrail → Lago di Cacano → Arnoga (Li Arnoga)
Das Hotel in dem wir uebernachteten
So. Jetzt bin ich in Arnoga und hab einen sehr guten Preis fuer B&B ausgehandelt. Heute laeuft ja auch das Fussballspiel. Schland vs. irgendjemand.

Mein Wecker wurde auf 6:30 gestellt, aufgestanden bin ich um 6:40. Gepackt war auch schnell alles. Die ungewaschene Zipperhose wurde auch gleich angezogen und schon ging es runter zum Fruehstueck. Genau! Geschlafen hab ich super, da ich ja wegen der Darmflut von gestern wenig Schlaf bekam. Das Fruehstueck taugte schon. Es gab kleine Semmeln wie vom Supermarkt, Wurst, Kaese, etc. Der Saft kam aus einer seltsamen Saftmaschine, genauso wie der Kaffee. Aber sowas hab ich hier irgendwie erwartet. 2 Semmeln (mini-Semmeln) steckte ich als Proviant mit ein. Kurz vor 8 Uhr wurde ich mit der harten morgendlichen Natur auf ueber 2700 HM konfrontiert: In langer Zipper Hose und T-Shirt ist es hier oben um diese Uhrzeit schweine kalt! So befolgte ich das, was ich gestern der Frau gesagt hatte: Schneller gehen!

Noch ein morgentlicher Blick auf den Ortler
Zuerst ging es wieder zur kleinen Burg auf der Dreisprachenspitze. Natuerlich in schnellem Tempo um's mir warm zu machen. Danach ging es runter zum Pass Umbrail. Schweinekalt war's trotz dem schnellen 50 Meter Aufstieg. Der Wind pfiff um die Ohren und verbreitete in mir das Gefuehl im Tiefkuehlschrank zu stehen. Also schnell runter. Der Wanderweg fuehrte dann ueber fein sauber gerechte Serpentinen herab, bei denen es bis auf eine Moeglichkeit nichts zum Abkuerzen gab. Beim Pass Umbrail sollten wir lt. Karte erst etwas ueber die Strasse gehen um auf den Wanderweg zu gelangen. Stattdessen gingen wir den Wanderweg hoch, der direkt hoch fuehrte, aber nicht mit dem verbunden war, der die Via Alpina war. Horst war mal wieder voll davon ueberzeugt, dass die Wanderwege verbunden waren. Aber nach kurzem bin ich links querfeldein gelaufen, da Wuerfeln besser waere, als [auf] Horsts Intuition zu achten. Wieder auf dem richtigen Wanderweg, zu dem auch sicher nicht ein Weg ruebergegangen waere, ging es hoch zum Joch Forcola, das sich auf gleicher Hoehe wie der Pass befand. Von der Ferne waren wieder mal Anlagen aus Kriegszeiten zu sehen. Es ist immer wieder erschreckend, Kriegsruinen zu sehen. Vor allem in dieser Hoehe in der es im Winter unmenschliche Bedingungen hatte. Meine Wanderung ist ein Dreck im Vergleich zu einem Soldaten, der dort evtl. kaempfen musste. Vllt. und hoffentlich gab es dort aber keinen Kampf.

Noch ein Blick zurueck zum Stilfser Joch auf den Ortler... wie wenn er jeden Moment auf den Muell im Joch hinunterbrechen wuerde
Beim Abstieg kam ich auch an einer Ruine vorbei, an der man genauso gut eine Huette bauen koennte statt in diesem Drecksjoch [das Stilfser Joch]! Beim weiteren Abstieg wurde ich auch auf eine Raupe aufmerksam, die in letzter Zeit immer mehr werden. Dabei fiel mir auch ein, dass ich auf meiner diesjaehrigen Wanderung - sollte ich sie durchstehen oder nicht sonst etwas dazwischen kommen - die Entwicklung der Tierwelt mitbekommen werde. Vor allem freue ich mich auf die Murmeltierbabies!!! Die quieken sicher auch bald herum. Diese Tiere scheinen jetzt auch ihren Winterspeck verloren zu haben. Vor 3 Wochen waren sie noch richtig fett. Ich machte mir auch Gedanken zur Fruchtbarkeit des Bodens. Wie soll es moeglich sein, dass Kuehe immer das Gras hier weg fressen mit allen Naehrstoffen, zur Fleischverarbeitung ins Tal kommen, aber kein Grundstoff fuer neue Nahrungsmittel ausser den Mineralien vorhanden ist. Eine Loesung zu diesem Problem - zumindest eine moegliche - kam mir spaeter. In dem kleinen Taschenbuch ueber Alpenpflanzen fand ich auch den deutschen Enzian, der praechtig aussieht. Bei Muenchen-Triest war ich ja die ganze Zeit auf der Suche nach einem Edelweis, aber den deutschen Enzian will ich auf dieser Tour finden. In dem Taschenbuch sieht dieser wunderschoen aus! Auf dieser Hoehe blueht noch etwas anderes, dass ich leider nicht genau identifizieren kann. Gestern und heute sind die Haenge voll von Hahnenfuss, nur weiss ich nicht, ob es der Alpen- oder Gletscherhahnenfuss ist.

Einige der Befestigungsanlagen auf dem Pass
Der Weg abwaerts fuehrte wieder mal ueber einen vermeintlichen Versorgungsweg zu den Bunkerruinen. Der ist zwar schoen zu gehen, aber der Grund seiner Existenz in dieser Form ist immer noch erschreckend. Weiter bergab gelangte ich an eine Kaeserei, die einen richtig putzigen Esel hatte, der leider kurz angeleint war. War ja klar, dass ich den streicheln musste. Den haette ich wieder mal am liebsten mitgenommen. Beim Streicheln hat der aber nur so vor Staub gestrotzt. Der weitere Weg war jetzt eine Fahrstrasse fuer Jeeps, die teilweise einen kleinen Geroellfeldcharakter hatte. So machte der Abstieg schon etwas mehr Spass. Nach viel weiterer Zeit konnte ich endlich den See Cancano sehen, der fast die Halbzeit einlaeutete. Mittlerweile war auch die Temperatur auf angenehmen Niveau. Beim Abstieg [vom Stilfser Joch] nahm ich teilweise meine Arme zur Brust, um mir etwas mehr Waerme zu spenden. In der Naehe des Sees kehrten wir beim "Ristoro Solena" ein. Eine Cola und ein Bier gab es zu trinken, eine Schokolade und die 2 Semmeln vom Fruehstueck wurden gut im Magen verwahrt. Nach einer halben Stunde ging es dann wieder weiter ueber die Staumauer. Es ist schon beeindruckend, auf wieviel kuenstlich geschaffenen Wegen die Via Alpina verlaeuft. Nach gut Spass [?!?] fand ich auch einen Weg zum 2. See, der natuerlich "angelegt" war, wobei ich erst kurz vor dem See feststellte, dass das eigentlich eine private Strasse war. Der See wurde rechts des Ufers umkehrt, da dieser nicht auf der Schotterstrasse verlief. Viele Angler gab es dort. Viele Fische wohl auch. Ich kam sogar in den "Genuss", als ein Fisch herausgezogen wurde. Wenig spaeter dachte ich etwas davon gelesen zu haben, dass der See keine Zu- und Abfluesse hat. Um auf Nummer sicher zu gehen, dass der See nicht doch irgendwann austrocknet, leistete auch ich meinen Beitrag.

Der ist sooooooo putzig... aber auch staubig.
Kurz nach dem See gelangte ich auch zu 2 Tuermen, bei denen die Strasse serpentinenmaessig fuer Autos herabfuehrte. Bei der 4-ten Kehre waere erst der Wanderweg abgezweigt und zwischen den Tuermen schien auch ein direkter Weg hinunterzufuehren. Den probierte ich gleich aus, statt ueber die Strasse und Tunnel umstaendlich abzusteigen und prompt kam ich bei der richtigen Kehre raus, zusammen mit ein bisschen Geroellhalden-Feeling. Der folgende Weg schien sich ewig hinzuziehen. Ohne nur einen spuerbaren Hoehenmeter rauf oder runter zu gehen, schlaengelte sich der Weg entlang des Berges. In etwa so, wie wenn er mit einem Tortenschneider horizontal durchteilt worden waere und man den oberen Teil um 3 Meter verschoben haette. So hatschten Horst und ich dahin, laberten viel Schmarrn, so wie sich das auch gehoert und freuten uns ueber jeden schattenspendenden Baum. Meine Hosenbeine der Zipperhose schlenderten auch an meinen Knoecheln. Eines hatte ich ganz vergessen zu schreiben. Als ich mit den Stecken an Zapfen von einem Nadelbaum schlug, sind mir regelrechte Wolken von Bluetenstaub entgegengekommen. Auf der Teilstrasse zu den 2 Tuermen hat es mir auch den Dreck und Staub in die Augen geweht. Da hatte ich die Idee, wie Naehrstoffe fuer die Wiesen nach oben kommen koennen [Zu den Kuehen]. Der Wind! Vllt. weht dieser das noetige Zeug nach oben! Doch zurueck zum Tortenschneiderweg.

Der kleine See ohne sichtbaren Zufluss.
Sicherlich ueber 2 Stunden musste ich den lang latschen. Es gab nicht einmal eine Einkehrmoeglichkeit. Der einzige Trost war der Blick zurueck. Kurz vor Ende der Etape konnte ich auf eine Station auf dem Ortler zurueckblicken, die von hier aus unfassbar winzig klein erschien und nur ein paar hundert Meter vom Stilfser Joch entfernt war. Immer wieder finde ich es auf's neue wahnsinnig, wie weit einen die Fuesse tragen koennen. Die Etappe endete in Arnoga, bei der wir erst mal bei der anscheinend einzigen Einkehrmoeglichkeit 2 Bier bestellten. Nach knapp 1 Liter Wein bin ich mittlerweile auch etwas beinander. Bei Li Arnoga fingen harte Verhandlungen ueber einen Uebernachtungspreis an. Nach dem 3ten Bier und auch der Nachfrage, ob wir hier Zelten duerfen, wurde uns ein Zimmer fuer 29 € pro Person inkl. Fruehstueck angeboten, was ich noch etwas weiter herunterhandelte. In Erwartung, ein heruntergekommenes kleines Loch zu bekommen, wie dies schon oft der Fall war, ging ich ins Zimmer. Das war der absolute Hammer. Super schoen, viel Holz, ein grosses Bad, einfach Klasse. Das ist die beste Unterkunft, in der ich seit Muenchen war! Und das zu einem unschlagbaren Preis.

Zwischen diesen beiden Tuermen ging der Weg herunter.
Zum Abendessen gab es Pizza, die so hervorragend schmeckte, wie das Zimmer aussah. Das einzige Manko heute und der naechsten Tage ist, dass mein Opa ins Krankenhaus gekommen ist. Zu meiner Erleichterung konnte ich ihn heute aber noch telefonisch erreichen und er klingt soweit ganz munter, aber eine OP steht noch aus :-(. Und Schland hat heute verdientermassen verloren! Das Positive daran ist, dass ich das Finale nicht mehr schauen muss. Der Hauswein ist hier auch prima, genauso wie das mehrsprachige Personal. Die meisten Bedienungen konnten bisher nur Brocken Englisch oder italienisch. Als die Halbpension an die Nachbartische geliefert wurde, haette ich mich am liebsten umentschieden. Diese Unterkunft scheint ein Geheimtipp zu sein. Gute Nacht!