Zu Tagebuch Eintrag
1  2  3  4  5  6  7  8  9  10  11  12  13  14  15  16  17  18  19  20  21  22  23  24  25  26  27  28  29  30  31  32  33  34  35  36  37  38  39  40  41  42  43  44  45  46  47  48  49  50  51  52  53  54  55  56  57  58  59  60  61  62  63  64  65  66  67  68  69  70  71  72  73  74  75  76  77  78  79  80  81  82  83  84  85 
 

Dienstag, 20.7.2010

Tag 42 - Mal schnell 2000 hoch und die naechste Etappe mit dran

Biasca → Pasquerio → Personico → Val Gagnone → Passo di Gagnone → Cap. d' Efra → Frasco → Sonogno
Ein paar HM waren schon geschafft.
Leck, war das ein Hatsch! Jetzt bin ich in Songno angekommen und hab damit wieder 2 Etappen zusammengelegt. Den Ruecken spuere ich auch wieder ordentlich aber bei weitem nicht so stark wie befuerchtet. Anscheinend hat das Vertauschen der Platzierung von Steigeisen und Schlafsack geholfen.

Die Nacht war anfangs grauenhaft. Ziemlich verschwitzt drehte ich mich immer wieder im Bett um. Vermutlich gab das Dach jetzt ueber den Tag gespeicherte Waerme an mein Zimmer ab. Irgendwann fielen mir dann doch die Augen zu.

Rechts von dem Buckel vor mir ging's weiter hoch.
Wie auch immer ich es schaffte, war ich wieder kurz vor dem Wecker wach, der auf 6:10 Uhr gestellt war. Ich wollte frueh weg. Einerseits, da zum Nachmittag moegliches Hitzegewitter gemeldet war, andererseits, um schon auf ueber 1000 HM zu sein, wenn die Sonne frontal herunterbrennt. Biasca liegt ja auf nur 300 HM. Das Fruehstueck war nicht schlecht. Frisches Brot, Wurst, Marmelade und noch mehr. Da stopfte ich mich voll so gut es ging. Kurz nach 7 startete ich sogleich los, nachdem ich in meiner Essenstuete einen der Wuermer fand, die wie ein kleines Stoeckchen aussehen.

Zuerst ging's zurueck ins Zentrum, von wo ich gestern die 10 Minuten hergelaufen war. Dann ging's rechts der Strasse entlang bis ich einen Pfad durch eine Unterfuehrung der momentan gelaufenen Strasse fand. Den lief ich ein [---] 2-3 Minuten um festzustellen, dass dieser eher nicht stimmt. Also wieder zurueck und weiter der Strasse entlang, immer den 2er Wegweisern folgend kam ich gut voran, aber immer ohne auch nur ein bisschen hoeher zu kommen. Vorbei an Pferdal, unter eine Unterfuehrung und an einem Steinbruch vorbei. Der gab mir wieder zu denken. Was machen wir Menschen, wenn wir alle abbauwerten Steine abgebaut haben? Eine regenierbare Ressource ist das wohl eher nicht und die Berge schauen schlichtweg Scheisse aus [wie Schweizer Kaese].

Der gemuetliche Weg durch Wald - wenig Steigung, schoener Weg.
Eine lange Zeit hatschte ich dann rechts entlang eines Flusses und kam bald und endlich in Personico an. Eine Stunde hatte ich bisher verschwendet, jetzt ging es aber mit dem Wanderweg weiter, der sich auch prompt nach oben schlaengelte. Statt jetzt die ersten 300 HM mit Vollgas zu gehen, stieg ich gemuetlich hoeher um die Kraft fuer spaeter aufzusparen. Das Dorf unten wurde immer kleiner und relativ schnell war ich die gut 200 HM hochgestiegen und kam mal wieder bei einem haesslichen Damm heraus. Ja Pfui! Immerhin war der Staubereich relativ klein. Rechts von diesem ging ich weiter, wo der Wanderweg langsam aber stetig hoeher fuehrte und ich schliesslich vor Cassinone abzweigte. Bis hierher zog sich der Weg eine gefuehlte Ewigkeit hin, hatte dafuer aber immer eine schoene Aussicht zu bieten, da der Weg immer weit ueber dem Fluss im "Tal" ging. [Ich hatte total vergessen hier zu schreiben, dass mir eine fette, riessengrosse Schlange begegnete. In weiter ferne schlaengelte sich dieses Monsterteil davon als ich den Weg entlanghatschte. Das war wohl meine erste richtige Schlange auf dieser Weitwandertour.] Auch kam ich an vielen kleinen Haeuschen vorbei, die man wohl meist anmieten kann. Am schoensten anzusehen war der Berg, der das Tal an dessen Ende zweiteilte. Dort musste ich rechts vorbei, wo der Weg immer noch sehr gut zu laufen war. Er ist sehr gut markiert und auch nirgends zugewuchert. Einfach wunderbar. Anscheinend ist die Wegbeschaffenheit von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Langsam fuehrte auch der Weg rechts entlang des Berges hoeher, sodass ich keine Muehe hatte, hoeher zu steigen. Trotzdem bremste ich mich immer wieder bewusst, wenn ich wieder schneller werden wollte. Die Energie brauchte ich heute auch sicher noch. Ab und zu war der Weg noch von kleinen Geroellfeldern durchzogen, durch die aber auch ein bequemer Pfad fuehrte. Kurz vor dem Ende des Tales erblickte ich dann ein riesiges Schneefeld, welches sich ueber den Fluss erstreckte. Bitte! Hoffentlich muss ich dort nicht drueber. Das haette ich auch sicher nicht gemacht. Zu meinem Erfreuen querte dann der Wanderweg weit hinter dem Schneefeld den Fluss in Richtung des steilen Hanges, der oft von senkrechten Stellen durchsetzt war.

Da stand mir noch ein langer Aufstieg bevor.
Ganze 1000 HM musste ich jetzt immer noch hoch, die anderen hatte ich wegen der bisher geringen Steigung des Wanderweges locker abgehatscht. Jetzt aber fuehrte der Weg einfach nur steil bergauf, fast senkrecht. Das Wetter machte mir auch ein paar Sorgen. Direkt an den Gipfeln hingen ein paar dunkle Wolken, die ich immer im Auge behielt. Viel veraenderten sie sich aber nicht - ganz zu meinem Erfreuen. Auch blieben sie schoen brav 200 HM ueber dem Pass, den ich ueberqueren musste. Ohne Erbarmen ging es steil hoeher. Oft zog ich mich mit Unterstuetzung der Wanderstoecke nach oben um meine Beine etwas zu entlasten. Meine rechte Archillessehne schmerzte heute auch schon nach den ersten paar Hoehenmetern. Natuerlich ignorierte ich das wieder aber dieses Mal hoerte der stechende Schmerz nicht von alleine auf, wurde aber auch nicht schlimmer. Damit kann ich gut leben und weiter aufsteigen :-). Zum Glueck kaufte ich mir auch die Wanderkarte. Anhand des hoechsten, 2518 hohen "Cima di Gagnone" konnte ich gut die Resthoehe abschaetzen, die ich hoch zu steigen hatte. Ich koennte auch ein Programm in meinem Handy aufrufen, aber auf so etwas will ich unbedingt verzichten. Das haette nichts mit Wandern zu tun. Jedenfalls nicht fuer mich.

Letzter Blick zurueck
Etwas ueber 300 HM Differenz zum Pass beschloss ich dann, eine Pause einzulegen. Wenn das Wetter ploetzlich umschlagen wuerde, haette ich noch genug Zeit, um ueber die kritische Stelle, den Pass, zu fetzen. Zum Essen gab es den gestern eingekauften Kaese und Knaeckebrot. Den Kaese packte ich aber nicht ganz und schmiss ihn in die Natur. Ein paar Ameisen, die hier massig herumkurvten, finden sicher eine gute Verwendung dafuer. Die Schuhe liess ich waehrend der Pause aber an. Zwar schmerzten diese [meine Fuesse] schon leicht, aber die Ameisen hatte sich bald darin [in die Schuhe] eingenistet. Nach einer halben Stunde startete ich wieder durch - oder so aehnlich. Irgendwie schien maechtig die Puste draussen zu sein. Ich stieg zwar noch hoeher, fuehlte mich aber sehr schlapp. Auch der halbe Liter Mineralwasser den ich zur Pause trank, schien nichts geholfen zu haben. Meine [momentane] Grenze schien also bei ca. 1700 HM zu liegen, was wichtig fuer aehnliche Touren ist. Mit einem riessen Schlinger wand sich der Weg nun um eine senkrechte Felswand, was die Steigung bis zum Pass wieder angenehm werden liess. [Das Stueck davon ab dem Schneefeld war einfach nur brutal steil.] Kurz unter dem Pass stand wieder einmal eine verfallene Steinhuette. Wie toll waere es, wenn man nur 10 Meter unter dem Pass eine Huette haette!

Cap. d' Efra - Knapp darueber lagen schon wieder die Wolken
Den Pass erreichte ich fast ausschliesslich ueber von Steinen durchsetzte Wiesen. Ich haette hier ein Geroellfeld oder aehnliches erwartet. Einen Nachteil hatte das Ganze aber: Es gab hier viele Flugviecher, die staendig um mich herumsausten. Eine Fliege oder aehnliches saugte ich auch wieder ein. Eine fuer mich neue Gattung stellte sich mir hier auch vor: Eine Art Fliege mit einer Musterung aehnlich der Wespe. Diese Mistviecher stechen richtig durch die Haut, sodass es blutet, wenn man sie erst mal wegen dem Schmerz davon gehauen hat. [Die Stiche sind ziemlich schmerzhaft!] Am Pass setzte ich mich dann doch nochmal fuer 5 Minuten hin. Eilig hatte ich es jetzt nicht mehr. Die Huette lag in 20 Minuten Entfernung bergab und ich konnte sie auch schon vom Pass aus sehen. Eines machte mir aber dennoch Sorgen: Schon auf dem Wegweiser unten im Tal fehlte das Essenssymbol, genauso wie hier beim Schild am Pass. Hoffentlich ist die ueberhaupt bewirtschaftet! Vom Pass aus sah sie schon mal richtig klein aus und als ich dort eingetroffen bin, wusste ich auch nicht so recht, was hier Sache ist.

Viele, viele Ameisen
Eine Frau putzte hier und da herum und in der Huette selbst war Gastraum und Kueche vereint. In einem Schrank standen auch lauter volle Getraenkedosen herum. Da die Frau weder Englisch noch Deutsch sprach, verstaendigte ich mich mit Gesten und sie deutete an, dass ich mich einfach bedienen soll. Perfekt! Eine Dose kostete hier oben auch nur 3 Franken, wie auch immer diese vielen Dosen hier hochgekommen sind [wohl mit dem Hubschrauber]. Eine kleine Flasche Wasser, eine Dose Sprite und 2 Bierdosen wurden es letztendlich. Bald fing ich auch an, mein Tagebuch zu schreiben. Es war erst 2 Uhr. Diese Tour hatte ich in weniger als 6,5 h statt der in Biasca angeschriebenen ueber 8 h geschafft!!! So gefaellt mir das. Beim Durchschauen vom Via Alpina Guidebook fiel mir aber auch auf, dass die morgige Tour nur mit 3 h und ca. 1100 HM bergab ausgeschrieben war. Bald trudelte auch 2 weitere Wanderer ein, die die Via Alpina anders herum laufen. Von denen erfuhr ich auch, dass der Weg bergab in sehr gutem Zustand sei. Ich wollte auf Nummer sicher gehen, dass ich schnell absteigen konnte. Meine rechte Archillessehne behandelte ich schon bei der Huettenankunft mit Voltaren. Das sollte also auch passen. So gerne waere ich auf dieser Huette geblieben, aber es haette sich nicht rentiert hier zu bleiben. Spaetestens morgen haette ich es bereut wenn ich um 10 oder 11 Uhr im Tal bin und wegen der Gefahr eines abendlichen Gewitters nicht gleich die naechste Tour, die wieder auf 2200 HM hochgeht, nicht mit drauf packen kann. So bezahlte ich die Getraenke bei der Frau, die wohl die Huettenwartin ist, gab mein Kleingeld als Trinkgeld mit dazu und fing an, meinen Rucksack wieder zu packen. Die Trinkblase fuellte ich auch mit 1 Liter auf. Diese hatte ich fast leer gezutzelt. Zusammen mit den 1/2 Liter Mineralwasser hab ich damit fast 3 1/2 Liter fuer den Aufstieg runter geschluckt.

Unzaehlige solcher Wasserfaelle gab es auf dem Weg bergab zu bestaunen
Waehrend ich packelte, ging die Huettenwartin schon runter. 10 Minuten spaeter verabschiedete ich mich von den anderen 4 Wanderern, wobei einer meinte, dass es dort sehr steil runtergehen soll. Aha. Da bin ich mal gespannt. Der Abstieg war sehr gut. An allen steileren Stellen waren Stufen aus Stein oder teils aus Holz angelegt. In vollem Tempo fetzte ich weiter runter. Dabei kam ich auch wieder an dem tief blauen "Lago d' Efra" vorbei, dessen Wasser unglaublich klar war. Vom See schepperte ich weiter zur "Alpe dell Efra", wobei ich mir immer die Frage stellte, wo es hier zum Teufel denn steil sein soll! Der Weg laedt gerade zum runterheitzen ein. Gerade weil er nie sehr steil ist. Bei der Alpe kam ich in den Genuss, Kuehe zu beobachten, die Zuflucht vor der Sonne in alten Steinhuetten suchten. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Wanderweg noch angenehmer! Viele, sehr viele Serpentinen fuehrten durch einen duenn besetzten Wald hinab, wobei die auf dem Weg liegenden Baumreste meine kraeftigen Schritte ordentlich daempften. Der Weg ist einfach nur wunderschoen! Auch fuer das Auge hatte er einiges zu bieten: Von ueberall her stuerzten Wasserfaelle herab und bildeten kleine Seen [, unglaublich wunderschoene Seen]. Auch die Ameisen erfreuten sich des Waldes. Ich hab auf so kurzer Strecke wohl noch nie soviel Ameisenhaufen gesehen. Bald holte ich auch die Huettenwartin ein, bei der ich den Boden entlang deutete und "Autostrada" sagte. Das kapierte sie aber nicht, weil sie ein Auto nachmachte :-). Egal. Wir verabschiedeten uns und ich heizte weiter herunter. Ich hatte es eilig. Bis unten zum Dorf "Frasco" war der Weg so schoen zu laufen, dass ich nicht weiss, was der eine Wanderer mit steil meinte [der von der Huette]. Der wird sich noch wundern, wenn er die Via Alpina weiterlaeuft und bei Pian San Giacomo hoch steigt, auf dem Weg bei dem mir der Boden unter den Fuessen weggebrochen ist [Er und sein Wanderfreund laufen naemlich auch auf der Via Alpina].

Noch ein bisschen Strassenhatsch, dann war ich am Ziel fuer heute.
Ab Frasco lief ich noch die Reststrecke von vllt. 2 km nach Sonogo ueber die Hauptstrasse. Bei der ersten Unterkunft "Alpino" fragte ich nach dem Preis fuer ein Zimmer. 42 Franken schienen mir auf Anhieb OK zu sein, weshalb ich gleich hier blieb, statt nach Alternativen zu suchen. Das Zimmer ist auch sehr schoen. In der Etagendusche sprang ich auch gleich unter das Wasser. Nach nur einem Wandertag war ich schon sehr verdreckt. Das gute hier ist, dass es Getraenke fuer 2,50 CHF zum Mitnehmen und mit auf's Zimmer gibt. Das schlechte ist das katastrophale Essen. Einen gemischten Salat und eine Pizza bestellte ich mir. Beim Salat waren so furz alte gruene Salatblaetter drin, die an den Raendern sogar schon braun waren und welk. Die schmeckten dazu auch noch seltsam. Die Pizza war einfach nur fade, der Teig zwar gut, aber sie hatte sonst wenig Geschmack. Oregano wird auch zum Schluss NACH dem Backen draufgegeben. Da war heute wohl der Koch krank. Vorher hab ich noch eine Himbeerschnitte gegessen. Diese war dazu im Vergleich super lecker. Heute wurden auch meine Wehwehchen versorgt. Bepanthen fuer die Schuerfwunde am Knie von Gestern und Mobilat fuer meine Sehne. So kann ich morgen hoffentlich wieder gut durchstarten, auch trotz des eher enttaeuschenden Essen. Mit Spannung erwartete ich aber ein gutes Fruehstueck.